Alkoholkontrolle: Wann muss ein Fahrer damit rechnen?

Wenn sich heute ein Verkehrsunfall ereignet, führt die Polizei fast immer eine Überprüfung des körperlichen Zustands des oder der beteiligten Fahrer durch. Wer sich einer solchen Kontrolle entzieht, begeht eine strafbare Handlung.

In einem Urteil vom 29. November 2023 [1] hatte das Bundesgericht die Gelegenheit, die Bedingungen für die Strafbarkeit eines Ausweichmanövers im Sinne von Art. 91a SVG in Erinnerung zu rufen. Gemäss dieser Bestimmung wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer sich als Führer eines Motorfahrzeugs vorsätzlich einer Blutprobe widersetzt oder sich ihr entzieht, einer Atemalkoholkontrolle oder einer anderen vom Bundesrat geregelten Voruntersuchung, die angeordnet wurde oder von der der Fahrzeugführer annehmen musste, dass sie angeordnet wird, oder wer sich vorsätzlich einer zusätzlichen ärztlichen Untersuchung widersetzt oder entzieht oder dafür sorgt, dass der Zweck solcher Massnahmen nicht erreicht werden kann.

[1] Urteil des Bundesgerichts 6B_975/2023 vom 29. November 2023.

Der Fall

Im vorliegenden Fall fuhr ein Fahrer mit einer als unangepasst geltenden Geschwindigkeit auf einer Kantonsstrasse. Als er sich einer Linkskurve näherte, verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug, das an den rechten Fahrbahnrand geriet, in eine grasbewachsene Böschung geriet und dann gegen einen Poller auf der rechten Seite der Fahrbahn prallte. Das Auto kam ins Schleudern, überquerte die Gegenfahrbahn, überfuhr eine durchgezogene Sicherheitslinie, prallte gegen einen betonierten Randstein ganz links auf der Gegenfahrbahn und landete schliesslich in einem Feld neben der Fahrbahn. Anschliessend liess der Fahrer sein Fahrzeug von einem Abschleppwagen bergen und entfernte das hintere Nummernschild seines Fahrzeugs, indem er es in den Fahrgastraum legte. Anschliessend verliess er den Ort des Geschehens, ohne sofort die Polizei zu benachrichtigen oder sich bei den Geschädigten bemerkbar zu machen.

Die Strafbarkeit

In diesem Urteil untersucht das Bundesgericht die Bedingungen für die Strafbarkeit von Schwarzfahren im Sinne von Art. 91a SVG und ruft sie in Erinnerung.

Dieser Straftatbestand besteht aus zwei objektiven Tatbestandsmerkmalen. Erstens muss der Täter gegen eine Pflicht verstossen haben, die Polizei bei einem Unfall zu benachrichtigen, obwohl diese Meldung zur Ermittlung der Unfallumstände dient und konkret möglich ist. Zweitens muss die Anordnung, sich einer Massnahme zur Feststellung der Fahruntüchtigkeit zu unterziehen, unter den gegebenen Umständen objektiv als höchstwahrscheinlich erscheinen.

Auf der subjektiven Ebene erinnert das Bundesgericht daran, dass diese Straftat vorsätzlich begangen wird, wobei Eventualvorsatz ausreicht und kein besonderer Vorsatz erforderlich ist. Zudem ist es nicht entscheidend, ob sich der Täter fahrunfähig fühlt oder nicht. Oder ob schliesslich festgestellt wird, dass er sich in diesem Zustand befindet. Das Bundesgericht erinnert daran, dass seit dem 1. Januar 2005 Art. 55 Abs. 1 SVG bei einem Unfall die Anordnung eines Alkoholtests auch dann erlaubt, wenn kein vorheriger Verdacht besteht. Seit dem 1. Januar 2008 erlaubt Art. 10 Abs. 1 VSKV der Polizei zudem, systematisch Vortests durchzuführen, um festzustellen, ob ein Alkoholkonsum vorliegt. Nach der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichts ist somit bei einem Unfall generell mit einer Atemalkoholkontrolle zu rechnen, sofern der Unfall zweifelsfrei auf eine vom Fahrer völlig unabhängige Ursache zurückzuführen ist.

Aus dem Urteil des Bundesgerichts vom 29. November 2023 geht hervor, dass, sofern der Fahrer nicht nachweisen kann, dass der Unfall zweifelsfrei auf eine Ursache zurückzuführen ist, die völlig unabhängig von seiner Person ist, generell mit einer Alkoholkontrolle zu rechnen ist. Darüber hinaus können die Justizbehörden eine Reihe äusserer Umstände feststellen, die sich auf das Verhalten des Fahrers vor und nach der Tat beziehen, und daraus Schlüsse ziehen, ob der Fahrer intern davon ausgegangen ist, dass er im Falle eines Polizeieinsatzes einer Kontrolle seines körperlichen Zustands unterzogen werden könnte. Schliesslich ist die Zahl der Fälle, in denen eine Meldung des Unfalls an die Polizei nicht möglich wäre, aufgrund der heutigen Telekommunikationsmittel begrenzt.

Autor:
Xavier de Haller
Präsident des ACS Vaud
Avocat au Barreau, Dr. iur.

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