Mit der Elektrifizierung der Antriebsstränge geht es schnell vorwärts. Begleitend sollten jedoch auch die Treibhausgasemissionen der grossen Bestandsflotte mit Verbrennungsmotoren unverzüglich verringert werden. Dazu gibt es viele Lösungswege, wie das 43. Internationale Wiener Motorensymposium gezeigt hat.
Während bei den Neuimmatrikulationen auf den europäischen Märkten der Anteil der Elektroautos und der Plug-in-Hybride schnell wächst, sind weltweit derzeit noch rund 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor unterwegs. Und diese werden nicht so schnell verschwunden sein. Im Gegenteil: Aufgrund des Bevölkerungswachstums dort, wo Elektromobilität noch nicht verbreitet ist, könnte die Zahl bis gegen zwei Milliarden Fahrzeuge steigen. Ebenfalls von traditionellen Treibstoffen werden heute noch rund 27‘000 Flugzeuge und 90‘000 Schiffe bewegt. Für den Antrieb dieser Verkehrsmittel gibt es bisher keine sinnvolle technische Alternative. Ausserdem werden allein in Europa auch rund 20 Millionen Heizungen mit herkömmlichen flüssigen und gasförmigen Brennstoffen betrieben.
Zwar müssen mit der kommenden Einführung der Abgasgesetze EU7 neu zugelassene Verbrennungsmotoren noch wesentlich schadstoffärmer werden, doch werden diese Optimierungen global nur einen geringen Umwelteinfluss haben. Eine wesentlich grössere Rolle könnte bei der weltweiten Reduktion der Treibhausgasemissionen die Einführung neuer Treibstoffe spielen. Auf diesem Weg liessen sich die Bestandsfahrzeuge schnell und umfassend CO 2 -ärmer betreiben.
Unterschiedlichste synthetisch hergestellte Treibstoffe könnten als Beimischung oder als Vollersatz gegenüber den konventionellen Kohlenwasserstoffverbindungen beträchtliche Vorteile bringen. Schon eine Beimischung von fünf Prozent e-Fuels würde bis zum Jahr 2030 zu einer CO 2 -Einsparung von 60 Millionen Tonnen führen, rechnet die e-Fuel Alliance vor, eine Interessensgemeinschaft für die industrielle Produktion von synthetischen Brenn- und Treibstoffen aus erneuerbaren Energien. Das käme einem Wegfall von 40 Millionen Autos auf der Strasse gleich.
Wie Martin Härtl, Leiter Nachhaltige Mobile Antriebssysteme an der TU München, beim Wiener Motorensymposium darlegte, steht der Verkehr «vor einer besonderen Herausforderung, weil er noch zu mehr als 90 Prozent auf fossiler Energie aus Erdöl und Erdgas basiert». Wasserstoff als chemisch einfachstes e-Fuel und Methan (CH 4 , Erdgas) als weltweit verbreiteter Energieträger mit guter Infrastruktur könnten ergänzt werden durch e-Fuels mit spezialisierten Eigenschaften für die optimale Nutzung in unterschiedlichen Verbrennungsmaschinen. So könnten hohe thermodynamische Wirkungsgrade erreicht werden, und kritische Emissionen wie Partikel und Stickoxide liessen sich mit bekannten Abgasnachbehandlungssystemen problemlos beseitigen.
Für den Einsatz synthetisch hergestellter Treibstoffe spreche laut Härtl auch, dass mit diesen «chemischen Batterien» gegenüber elektrischen Batterien viel weniger Gewicht mitgeführt werden müsse, «weil die Luft für die Verbrennung schon da ist, wo sie gebraucht wird». Härtl betonte, dass der schlechte Gesamtwirkungsgrad bei der Produktion synthetischer Treibstoffe vernachlässigbar sei, wenn der enorme Energieeintrag der Sonne in Betracht gezogen werde. Immerhin liefere unser Zentralgestirn jeden Tag ein Vielfaches des weltweiten Jahresbedarfs.
«Damit im Fischer-Tropsch-Verfahren hergestellter methanolbasierter Treibstoff der aktuellen Norm entspricht und direkt getankt werden kann, müssen seine Eigenschaften durch Zumischen von Blend-Komponenten aber noch verbessert werden», berichtete Karl Dums von der Porsche AG beim Gipfeltreffen der Antriebsentwickler in der Wiener Hofburg. Derzeit werden Zumischkomponenten noch mit fossilen und pflanzlichen Grundstoffen hergestellt, und die Vielzahl der Produktionsverfahren für diese Komponenten stellen eine erhebliche Herausforderung dar. Das Ziel von Porsche und Partner Siemens Energy sei es deshalb, alle Treibstoffkomponenten auf Methanolbasis herzustellen. Die neue Produktionsanlage in Chile wird neben e-Methanol und e-Benzin auch e-Kerosin bereitstellen. Schliesslich geht es aber nicht nur um synthetische Treibstoffe für den Verbrauch in Fahrzeugen, sondern generell um den Import von regenerativer statt fossiler Energie nach Europa, denn «auch in Zukunft wird sich Europa nicht vollständig mit erneuerbaren Energien selbst versorgen können».
Biotreibstoffe sind flüssige oder gasförmige Treibstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden, etwa Ethanol, Biodiesel oder Biogas. Sie werden in zweiter Generation nur noch aus pflanzlichen Abfällen und zunehmend auch aus Algenkulturen produziert. Der Treibstoff Methanol (M100) ist bereits genormt. Er kann auch in Benzin oder auch in OME (Oxymethylenether) und DME (Dimethylenether) für Dieselmotoren umgewandelt werden. Ausserdem kann Methanol als Zwischenspeicher in Brennstoffzellen-Fahrzeugen verwendet werden. Auch der klimafreundliche Ammoniak kann als Treibstoff für Verbrennungsmotoren oder in Brennstoffzellen zum Einsatz kommen. Vorteil ist der flüssige Aggregatzustand bei geringer Kühlung respektive der niedrige Druck bei Raumtemperatur. Praktische Anwendungen befinden sich aber noch im Laborstadium.
Während es für Dieselfahrzeuge bereits geeignete Drop-in-Lösungen wie etwa R33 oder HVO100 gibt, um fossilen Treibstoff zu ersetzen, gibt es auch immer mehr Ansätze zur Herstellung von biobasierten Ottotreibstoffen. Für Benzinmotoren bietet sich Ethanol als Mischkomponente an, da es eine hohe Oktanzahl hat und damit auch die Nutzung von niedrigoktanigeren Komponenten wie Rohbenzin erlaubt. «E20 wird daher als nächster Schritt für Ottomotoren angesehen», liess Shell-Chef-Ingenieur Wolfgang Warnecke beim Wiener Symposium verlauten.
Text: Stephan Hauri
Bilder: empa/amag/zVg