Unsere Mission: Automobile Leidenschaft

Auch im 21. Jahrhundert soll und darf das Autofahren noch Freude bereiten – ganz egal ob in einem Classic Car, Sportwagen oder einem Elektrofahrzeug. Der ACS lebt deshalb die Leidenschaft fürs Automobil und setzt sich entschlossen und proaktiv für die Interessen seiner Mitglieder ein. Deshalb haben wir den autoaffinen Autor Michael Bahnerth eingeladen, seine Sicht der Automobilen Leidenschaft mit uns zu teilen.

Automobile Leidenschaft

Strassen der Leidenschaft

Es gibt diese Strassen, die die Weltabgeschiedenheit pflastern. Man findet sie abseits der grossen Strassenströme eines jeden Landes, im Verborgenen fast. Es sind Strassen ohne Mittelstreifen, kaum beschildert, ohne Ampeln. Es sind die schönsten Strassen der Welt, sie führen durch das Alles und das Nichts, und wer auf ihnen rollt, fährt gleichzeitig sich selbst davon und entgegen.

Immer, wenn ich im Stau, im Verkehr oder dem Leben feststecke, denke ich an diese Strassen, die ich mir für immer erfahren habe. Ich sehe ihre Kurven und Geraden, glaube sie zu spüren, verschmelze mit ihnen und der Landschaft, auf der sie liegen wie gemalt. Es spielt keine Rolle, ob man mit 50 Stundenkilometern auf ihnen fährt oder mit über 100, weil die Zeit ohnehin still zu stehen scheint, wie immer, wenn man in der Ekstase einer Passion unterwegs ist.

Da ist nur der auf- und abschwellende Sound des Motors, da ist die Melodie des Windes, wenn das Fenster geöffnet ist, es ist nicht still, nur ruhig. Man verschmilzt mit allem, sich selbst und dem Universum, und vor jeder Kurve liegt die Gewissheit, dass es dahinter weitergeht auf diesen Himmelswegen.

Irgendwann kommt man an; auf einer Passhöhe, am Rande eines Meeres, in einer Ortschaft. Man hält, stellt den Motor ab, und die Welt wird ganz leise und summt in einem drin, man steigt aus und hat dieses seltsame Gefühl, zwar auf den Füssen zu stehen, aber immer noch zu rollen. Man blickt zurück, sieht die Windungen der Strasse, die gerade zu einer Erinnerung destilliert, der nie der Treibstoff ausgehen wird. Und gleichzeitig wächst die Sehnsucht nach einer weiteren schönsten Strasse der Welt, diesem Gefühl des beschleunigten und im selben Atemzug verlangsamten Seins auf ihnen.

Lamborghini Countach LPI 800-4
Lamborghini Countach LPI 800-4
Bugatti Type 59 Sports von 1934
Bugatti Type 59 Sports von 1934

Mein erstes eigenes Auto war ein Ferrari 308 GTS Quattrovalvole, 240 PS, jene Göttin unter den Automobilen, mit denen Magnum später in der gleichnamigen TV-Serie über die Strassen Hawaiis kurvte. Wir waren unzertrennbare Freunde, wir entdeckten zusammen die Welt, wir durchbrausten sie, ich war vier Jahre alt, vielleicht fünf, und der 308er ein Spielzeugauto, das jedoch meinen Motor der spielerischen Ernsthaftigkeit von Automobilen für immer startete.

Wahrscheinlich kommt es daher, dass mir ein Auto immer noch und für immer auch ein Fortbewegungsmittel zur abenteuerlichen Entdeckung der Erde geblieben ist; ein guter Freund. So wie ich als kleiner Junge mit meinem Ferrari den Wänden des elterlichen Wohnzimmers davonfuhr, so fahre ich heute, 50 Jahre später, gelegentlich immer noch los den schönen Seiten der Welt und des Lebens entgegen; einfach fahren, davonfahren und ankommen und dieses rollende Leben dazwischen, Be- und Entschleunigen im selben Augenblick.

Ich benutze kaum noch Flugzeuge, weil eine Autofahrt vielmehr in der Lage ist, einem das Gefühl von Fliegen zugeben. Man muss nicht einmal schnell fahren, um in die Welten dieser Emotion zu gelangen, man muss nur das Steuer halten und alles andere loslassen und sich ziehen lassen von der Strasse. Alles andere ergibt sich von selbst, dieses Gefühl von Freiheit, jederzeit von einer Strasse auf die andere wechseln zu können, zu wählen ob Pass oder Tunnel beispielsweise, Autobahn oder Landstrasse, und trotzdem an sein Ziel zu kommen, sollte nicht die unbändige Lust des Fahrens das einzige sein.

Wenn man es richtig macht, also immer cool bleibt, egal wer vor, neben oder hinter einem fährt, bewegt man sich unweigerlich in einen Zustand der gleitenden Mobilität, der den Grundbedürfnissen und der Ur-DNA des Menschseins entgegenfährt. Autofahren ist in unserer Gesellschaft der Sesshaftigkeit das letzte übrig gebliebene Element des Nomadentums. Wir packen unsere Sachen, verstauen sie und ziehen los und weiter. Das Auto wird zu unserem Zuhause, das Unterwegssein zur Heimat.

Wahrscheinlich hat die Tatsache, dass ein Auto schon immer mehr war als ein Gefährt, das einen bloss von A nach B bringt, dazu geführt, dass das Automobil stets mit Freiheit in Verbindung gebracht wird. Ein Automobil ist eine Kapsel, die einen auf wunderbare Weise befreit von den Umtrieben der Welt. Für den, der hinter der Windschutzscheibe sitzt, scheint alles erreichbar, solange Strasse da ist und Benzin. Jedes Mal, wenn man den Motor startet, hätte man die Möglichkeit, am Firmenparkplatz vorbeizufahren und einfach immer weiter, wenigstens in die Nähe der entlegenen Sehnsuchtsorten seines Lebens.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Autos eine Seele besitzen, aber wahrscheinlich schon, und vermutlich ist es eine Hybrid-Seele aus femininen und maskulinen Anteilen. Der Motor scheint dabei das Männliche zu sein, das Chassis eher der weibliche Part. Das erklärt, weshalb beide, Mann und Frau, ein Auto lieben können, weil es in der Lage ist, der jeweils schwächer akzentuierten Eigenschaft, also der anderen als der eigenen, Antrieb zu verleihen.

Jaguar-E-Type
Jaguar-E-Type
Motorsport

Nun fährt man dieser Tage in eine ethische Sackgasse, wenn man behauptet, dass Frauen mehr als Männer eine pragmatische Einstellung zum Auto haben, Männer aber so etwas wie eine tiefere Liebe, was vielleicht auch daran liegen mag, dass Männer in Zeiten, als die Rollenverteilung noch eine andere war, Cowboys waren und das immer noch durchdringt, diese Sehnsucht nach einem Transportmittel unter dem Hintern. Das würde erklären, weshalb sie mit Hingabe ihre Karren fast liebevoll  pflegen, staubsaugen und polieren.

Es gibt Ausnahmen, natürlich, die Auto-Amazoninnen, Frauen voller drehzahlfreudigem Drive sind es meist, man versteht sich blendend mit ihnen, weil man immer ein unerschöpfliches, gemeinsames Thema hat, und weil sie Benzin im Blut haben. Sie haben nur einen Nachteil, keinen kleinen; sie wollen immer selbst hinter dem Steuer sitzen. Und Beifahren ist für einen autophilen Mann jedes Mal eine kleine Strafe. Er fühlt sich wie eingesperrt und macht sich Sorgen. Und der Rausch der Beschleunigung ist auch ein anderer, wenn man ihn nicht selbst verursacht.

Wahrscheinlich verhält es sich bei Seelen der Autos wie bei jenen der Menschen; es gibt grosse und kleine, solche, die man gleich wahrnimmt und solche, die man nicht erreicht, weil sie zu klein sind, um sie zu erkennen, oder sie sich verstecken. Natürlich können kleine Autos grosse Seelen haben, und grosse kleine. Es sind die Strassen, die sie gemeistert haben, die den Unterschied machen. Das ist wie beim Menschen; man erkennt, die die Fahrt seines Lebens in den Augen und an den Furchen im Gesicht.

Ein Auto voller Seele hat da und dort kleine Kratzer und Dellen von den Unebenheiten des Daseins, Gebrauchsspuren innen und aussen, seine Seele hat einen unverwechselbaren Geruch, die untrennbar mit jener seines Halters verbunden ist. Deshalb sind Neuwagen zwar schön und glänzend, aber doch noch seelenlos. Es braucht ein paar Strassen, die ersten Kratzer, ein paar Wunden, um zur Persönlichkeit zu reifen.

Porsche 918 Spyder, Carrera GT und 959
Porsche 918 Spyder, Carrera GT und 959
Mercedes-300-SL-Roadster
Mercedes-300-SL-Roadster

Ich fuhr einst - nur ein ganz kleines Stück, von der Boxengasse an den Start bei der Classic-Rallye Mallorca - den wegen seiner Bananenfarbe und den Werbeaufklebern gennannte "Chiquita"- Porsche 911 ST 2.3, der, als er noch nicht "classic" war, anfangs der 1970er Jahre die Strassen der Langstreckenrennen dominierte. Das Auto war dann lange Zeit wie verschwunden, aber es ist nie gestorben, weil es, das mag jetzt seltsam klingen, etwas Unsterbliches in sich trug. Eine Garage gab ihm neues Leben, und es war wieder wie damals in der Blütezeit seines Seins.

"Chiquita"- Porsche 911 ST 2.3
"Chiquita"- Porsche 911 ST 2.3

Vielleicht drei Minuten sass ich hinter seinem Steuer, war nie höher als im zweiten Gang, aber noch heute habe ich seinen Sound im Ohr, die Melodie seines Motors, seine Kraft, seine Seele und seinen Blick, der einen nicht losliess, wenn man in seine Augen schaute.

Natürlich ist es möglich, ohne Automobil zu leben. Die Frage ist nur, ob es erstrebenswert ist. Ob der Verzicht darauf einen nicht um etwas ganz Wesentliches bringen würde; der jederzeit einlösbaren Möglichkeit, sich selbst in andere Sphären zu transportieren. Deshalb glaube ich auch nicht, dass eine Welt ohne Auto eine bessere wäre. Im Gegenteil, sie würde unendlich klein, viel unentrinnbarer auch, antriebsloser. Und vor allem leidenschaftsloser.

Text: Michael Bahnerth
Bilder: zVg

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