Gibt es den idealen Elektromotor?

In jüngerer Vergangenheit haben viele neue Hersteller begonnen, Elektromotoren zu bauen – weil dies einfache Produkte zu sein scheinen. Im Automobilbau müssen die Motoren jedoch genau an die Vorgaben des Autoherstellers angepasst werden. Wichtigste Kriterien dabei sind Leistungs- und Drehmomentdichte sowie Effizienz und Lebensdauer.

Elektromotoren wandeln elektrische in mechanische Energie um. Magnetische Kräfte sorgen für ein Drehmoment, das im Gegensatz zu verbrennungsmotorischen Antrieben von der ersten Drehzahl an verfügbar ist. Schon daher eignet sich der E-Motor gut für den Antrieb eines Autos. Dass er kompakt ist und seine Arbeit emissionsfrei und mit wesentlich besserem Wirkungsgrad als der Verbrenner erledigt, sind weitere Vorteile. Weil E-Motoren auch als Generator arbeiten können, werden sie oft zusammenfassend als Elektromaschinen bezeichnet. Grund für die hohe Effizienz des E-Motors ist zum einen die Tatsache, dass die Energie nicht thermodynamisch umgewandelt werden muss, sondern direkt verwendet wird. Ausserdem kann die Bewegungsenergie des rollenden Autos durch Rekuperation in die Batterie zurückgeführt werden.

Yasa-Axialflussmotor von Mercedes.
Yasa-Axialflussmotor von Mercedes.

Mit Vor- und Nachteilen

Für den Antrieb von Elektroautos kommen unterschiedliche Elektromaschinentypen zum Einsatz. Als Favoriten stehen am Start: Permanenterregte und Hybrid-Synchronmaschinen, fremderregte Synchronmaschinen sowie Asynchronmaschinen.

In aktuellen Elektroautos häufig im Einsatz sind permanenterregte Synchronmaschinen (PSM). Sie sind kompakt, leistungsstark und energieeffizient. Da das Rotormagnetfeld von Permanentmagneten erzeugt wird, arbeiten die Maschinen auch im Teillastbereich mit hohen Wirkungsgraden. Ausserdem ist ihr Aufbau einfach – es werden beispielsweise keine Schleifkontakte benötigt. Als Nachteile dieser Bauart sind vorab die Kosten zu nennen. Und rohstoffseitig sind PSM auf Seltene Erden angewiesen.

Die fremderregte Synchronmaschine (FSM oder EESM, Externally Excited Synchronous motor) funktioniert mit einem Rotor, dessen Magnetfeld durch einen Elektromagneten, also durch Stromfluss, erzeugt wird. Beim Wirkungsgrad kommt sie nahe an die PSM heran. In der Produktion ist sie jedoch günstiger als die PSM. Daher kommt die FSM in preissensibleren Fahrzeugkategorien zum Einsatz, tendenziell eher in Kleinwagen. Ein Vorteil der FSM ist, dass zur Herstellung keine Selten-Erden-Metalle benötigt werden.

In Asynchronmotoren (ASM) bewegen sich die Magnetfelder von Rotor und Stator anders als in Synchronmotoren nicht im gleichen Takt, also asynchron. Die ASM ist etwas weniger effizient und zudem schwerer und geringfügig lauter im Betrieb. Von Vorteil dagegen ist, dass sie jederzeit komplett deaktiviert werden kann und dann im Freilauf mitläuft, also keine Energie verbraucht. Zudem kann sie auf Permanentmagnete und Regeleinheiten verzichten, ist also in der Herstellung günstiger als die PSM. Um einen kräftigen Boost-Effekt zu erzielen, kann der Asynchronmotor über einen kurzen Zeitraum mit Überlast arbeiten. Von dieser Eigenschaft lässt sich in sportlich ausgelegten Fahrzeugen profitieren.

Parallele Entwicklung

Noch gibt es bei der Wahl der Motorenbauart keinen Königsweg. So pendeln einige Autohersteller zwischen PSM zu ASM, andere zwischen PSM zu FSM. Weitere setzen auf eine Kombination der Konzepte. Als Trend könnte man jedoch darauf hinweisen, dass magnetfreie elektrische Maschinen, also FSM und ASM, Aufwind erhalten werden, weil sie umweltfreundlicher und zudem weniger abhängig von den Rohstoffpreisen sind. Der Autohersteller profitiert so von langfristiger Preisstabilität und globaler Versorgungsicherheit.

Deshalb setzt beispielsweise das deutsche Entwicklungsunternehmen Vitesco Technologies entschieden auf diese Bauart. Fremderregte Motoren sind zwar technisch komplex, da sie eine eigene Stromquelle benötigen, die den Rotor antreibt. Ihr Rotor kommt jedoch ohne Permanentmagnete aus. Von Vorteil ist auch, dass sich die FSM nun für eine grössere Bandbreite von Anwendungen optimieren lässt. Auf Langstrecken mit viel Autobahnanteil arbeiten FSM effizienter als PSM.

Auch Renault setzt auf die Karte FSM – nicht nur aktuell im Modell Zoé, sondern auch in Zukunft: Zusammen mit Partner Valeo entwickeln die Franzosen derzeit die elektrisch erregte Synchronmaschine E7A, die 2027 auf den Markt kommen soll. Ein neuer Stator von Valeo steigert zudem die Leistung und den Wirkungsgrad. Das Aggregat schafft bis zu 200 kW (272 PS) und ist damit laut Hersteller deutlich stärker als die bisher eingesetzten E-Motoren, ohne aber mehr Strom zu verbrauchen.

Asynchronmaschinen werden von Audi im neuen Q6 e-tron an Vorder- und Hinterachse eingesetzt und auch Mercedes und Tesla verwenden ASM in diversen Modellen. In einigen Modell werden sowohl ASM als auch PSM verbaut, um Vorder- und Hinterachsen anzutreiben.

Spielt – wie beispielsweise bei Porsche – Performance die Hauptrolle, wird meistens die PSM favorisiert. Im neuen vollelektrischen Macan kommen solche Maschinen an beiden Achsen zum Einsatz. Eine maximale Leistungsdichte wurde durch die neue Wassermantelkühlung erreicht. Die Wicklungen der Statoren im Hairpin- (vorne) und im I-pin-Verfahren (hinten) machten eine zusätzliche Leistungssteigerung möglich. Der Kraftfluss auf die Räder erfolgt an Vorder- und Hinterachse über ein zweistufiges, kompaktes 1-Gang-Getriebe. Effizienzvorteile bringt auch die Rekuperation. Bis zu 240 kW können im Macan zurückgewonnen werden, abhängig von der Bremspedalbetätigung des Fahrers, von der Temperatur und vom Ladezustand der Batterie.

Noch Zukunftsmusik

Im Concept One-Eleven zeigte Mercedes einen Performance-E-Antrieb mit einer Axialflussmaschine der englischen Tochtergesellschaft Yasa. In diesem Motor verläuft der elektromagnetische Fluss höchst effizient parallel zur Drehachse des Motors, während er sich in den Radialflussmotoren senkrecht zur Drehachse bewegt. Im Vergleich zu herkömmlichen Motoren überzeugt dieser Antrieb mit deutlich höherer Spitzen- und Dauerleistung. Vorteilhaft ist ausserdem die extrem schmale Bauform und das geringe Gewicht, nachteilig aber die empfindlich höheren Herstellkosten. Wo Kosten keine Rolle spielen: Axialflussmotoren mit zwei Rotoren sind derzeit auch in den Ferrari-Hybridmodellen SF90 und 296 GTB/GTS eingebaut.

Text: Stephan Hauri
Bilder: zVg

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