Kontrollillusion im Strassenverkehr

Die Kontrollillusion beinhaltet bereits zwei Wörter, die gegensätzlicher nicht sein könnten: Kontrolle und Illusion. In der Tat spricht man in Themen zum Strassenverkehr immer häufiger von der «Kontrollillusion». Aber was bedeutet dies eigentlich? Und warum ist dieses Thema so aktuell?

Blick ins Lexikon

Schauen wir im Lexikon nach, so wird die Kontrollillusion damit beschrieben, dass es eine menschliche Tendenz ist zu glauben, gewisse Vorgänge kontrollieren zu können, die nachweislich nicht beeinflussbar sind. Eine Studie belegt (Ellen Langer, The Illusion of control, 1975), dass Menschen zum Beispiel beim Brettspiel dazu neigen, die Würfel stärker werfen, wenn sie hohe Zahlen erzielen wollen, und sanfter für niedrige Zahlen. Es ist eine subjektive Einschätzung, die Kontrolle über Ereignisse oder Vorgänge zu haben. Transferiert man dieses Verhalten auf den Strassenverkehr, so wiederspiegelt sich dieses beim Nutzen des Handys während der Fahrt oder anderen ablenkenden Tätigkeiten hinter dem Steuer. Es ist dieses Gefühl, dass wir alles im Griff haben und uns locker mit anderen Dingen als dem Autofahren beschäftigen können. Und routiniert sind wir ja überdies. Wir antizipieren, fahren defensiv, schauen voraus. Das alles suggeriert uns, die Kontrolle am Steuer zu haben.

Der Schein trüg

Es ist genau diese Kontrollillusion, die zu teils schweren Unfällen führen. Es ist uns nicht möglich, alle ablaufenden Ereignisse im Voraus zu kennen. Zu viele verschiedene Faktoren beeinflussen den Strassenverkehr, zu viele verschiedene Verkehrsteilnehmende sind gleichzeitig unterwegs. Eigentlich eine unberechenbare Situation. Und eigentlich klar, dass es nicht nur an uns liegt, ob es zu einem Unfall kommt oder nicht.

Also, wir neigen dazu, weil wir so gut und schon so lange Auto fahren, unaufmerksam zu sein, uns ablenken zu lassen oder gar selbst zu überschätzen. Sei es beim Benutzen des Handys (längst nicht mehr nur beim Telefonieren, auch Textnachrichten werden geschrieben, es wird im Internet gesurft oder die Mails abgefragt), beim Essen unterwegs oder auch einfach, weil wir unseren Gedanken «nachhängen».

Riskantes Verhalten durch Selbstüberschätzung

Verhältnismässig oft ist die Selbstüberschätzung der Grund für Velounfälle. Eine Kurzanalyse der BFU im Jahre 2021 hat die Regelmissachtung im Veloverkehr untersucht. Meist geht die Missachtung von Regeln mit der Illusion der Kontrolle über das Geschehen einher und die Fahrradfahrenden sind in einem Unfall selbst die Leidtragenden. Ein besonders auffälliges Fehlverhalten von Fahrradfahrenden ist das Ignorieren von roten Ampeln. Längst sind diese Regelmissachtungen keine Bagatelldelikte mehr. Sie haben für die Verursachenden, Autofahrenden, teilweise aber auch für Fussgängerinnen und Fussgänger und andere Velofahrende, schwerwiegende Folgen.

Die Kontrollillusion im Strassenverkehr kann dazu führen, dass sich Verkehrsteilnehmende überschätzen. Sie schätzen sich selber sicherer ein, als es objektiv eigentlich der Fall ist (Studie der ZHAW, 2011) und sie zeigen dadurch ein riskanteres Verhalten. Damit einher geht auch die systematische Unterschätzung von Gefahren durch die Handelnden selbst oder Dritte.

Regelnd einhalten kann Leben retten

Unfälle durch Kontrollillusion häufen sich. Es ist aus präventiver Sicht deshalb dringend notwendig, dass sich die Verkehrsteilnehmenden wieder den reellen Gefahren des Strassenverkehrs und deren Folgen bewusst werden. Nur eine defensive, aufmerksame Fahrweise bilden eine gute Basis, um sicher am Strassenverkehr teilzunehmen. Wer zu Fuss unterwegs ist, sollte sich bewusst sein, dass der Zebrastreifen keine unfallsichere Zone ist und sich das einst gelernte warten – schauen – hören – gehen nach wie vor bewährt. Regeln einzuhalten kann mitunter Leben retten.

Text Anita Brechtbühl / Bild zVg

Diese Webseite verwendet Cookies.  Datenschutzerklärung