Der Kia EV6 geht bei zahlreichen Vergleichstests als Sieger hervor, nicht zuletzt wegen des 800-Volt-Batteriesystems und dem schnellen Laden. Im Jahr 2022 wurde der Crossover von der Fachpresse zu Europas Auto des Jahres gekürt.
Der knapp 4,70 Meter lange, 1,89 Meter breite und 1,55 Meter hohe Kia EV6 teilt seine Basis mit den Konzernbrüdern Hyundai Ioniq 5 und Genesis GV60 auf der speziell für vollelektrische Fahrzeuge (BEV) konzipierten E-GMP-Plattform (Electric Global Modular Platform). Die hochmoderne Baukasten-Strategie vereinfacht nicht nur die Produktion durch skalierbare Grössen, sondern reduziert auch die Kosten. Dadurch ist es den Koreanern möglich, die teure 800-Volt-Technologie in ihre Fahrzeuge zu integrieren, ohne dass die Preise deshalb durch die Decke schiessen.
Wir nehmen in unserem Report den Spitzensportler Kia EV6 GT mit 430 kW (585 PS) und 740 Nm maximalem Drehmoment unter die Lupe. Ein in vielerlei Hinsicht herausragender Vollzeitstromer. Optisch unterscheidet sich der EV6 GT nur dezent – etwa durch die neongelben Bremssättel und die ikonischen 21-Zoll-Räder – vom Basismodell, das in der Schweiz mit 125 kW (170 PS), Heckantrieb und 58 kW-Batterie bereits ab CHF 49 950.– beim Händler steht. Allradantrieb gibt es übrigens auch in der 325-PS-Version für CHF 60 750.–.
Unter dem ausdrucksstarken Blechkleid des EV6 GT versteckt sich ein potenter Sportwagen mit 585 PS (430 kW) und 740 Nm maximalem Drehmoment. Der zweimotorige Antriebsstrang des GT wurde speziell für ein progressives Hochleistungs-Fahrerlebnis entwickelt. Der Frontmotor leistet 218 PS (160 kW) bei 4400 bis 9000 U/min, der Heckmotor 367 PS (270 kW) bei 6800 bis 9400 U/min. Bei einem Leergewicht von gut 2,2 Tonnen beschleunigt der EV6 GT in nur 3,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h und beendet seinen Vorwärtsdrang erst bei für Elektroautos bemerkenswerten 260 km/h. Die aufwendig konzipierten E-Motoren sind mit einer maximalen Drehzahl von 21 000 U/min und direkter Ölkühlung für eine solche Spitzengeschwindigkeit ausgelegt.
Von den Fahrleistungen her liegt der EV6 GT etwa auf dem
gleich hohen Niveau wie der Porsche Taycan 4S. Gut ausgestattet steht der EV6
GT aktuell mit CHF 77 900.– in der Preisliste (Leasing ab CHF 726.–). Für den
Zuffenhausener werden hingegen mindestens CHF 136 700.– und somit beinahe das
Doppelte fällig.
Das EV6-Basismodell wird über die Hinterräder angetrieben. Die 4x4- und GT-Versionen verfügen dagegen über einen intelligenten Allradantrieb, der von einem zusätzlichen Motor an der Vorderachse generiert wird. Allerdings nur im Bedarfsfall. Ansonsten wird der Energiefluss zur Optimierung der Effizienz ein- und ausgeschaltet. An beiden Achsen ist jeweils ein Drehstrom-Synchronmotor mit Permanentmagneten verbaut. Je nach Betriebsmodus und Fahrsituation wird die entsprechende Einheit durch die Steuerelektronik als Elektromotor oder Generator geschaltet. Befindet sich das Fahrzeug im Schiebebetrieb oder wird abgebremst, führt es elektrische Energie mittels Rekuperation über den Spannungswandler an die Hochvolt-Batterie. Infolgedessen wird überschüssige kinetische Energie beim Verzögern in Form von elektrischer Energie zurückgewonnen (Regenerative Breaking System).
Eine technische Besonderheit im EV6 GT ist das
elektronische Sperrdifferenzial (electronic-Limited Slip Differential, e-LSD).
Es leitet bei Kurvenfahrten das Drehmoment automatisch an die Räder mit dem
stärksten Grip und sorgt so dafür, dass keine Leistung verloren geht und
maximale Stabilität und Traktion sichergestellt ist. Das e-LSD beinhalt
intelligente Funktionen zur Traktionskontrolle (Smart Traction) und zur
Gierdämpfung (Smart Yaw Damping), die entsprechend dem Konzept des GT mit 2,90
Meter Radstand für ein ausgewogenes Verhältnis von sportlichem Fahrverhalten
und hohem Fahrkomfort sorgen.
Die Gesamtkapazität der Hochvolt-Batterie beträgt beim EV6 GT netto 77,4 kWh. Das verwendete Multi-Ladesystem ist auch ohne den sonst üblichen On-Board-Charger kompatibel zu 400- und 800-Volt-DC-Ladestationen. Unter idealen Rahmenbedingungen lässt sich der Ladezustand der Batterie mit einer maximalen Ladeleistung von 240 kW in weniger als 18 Minuten von zehn auf 80 Prozent erhöhen. Wer den Akku etwa mit einer längeren Autobahnetappe vor dem Ladevorgang aufwärmt, freut sich über Werte von mehr als 180 kW am CCS-Lader. Im Schnitt liegt die Ladeleistung für die Dauer des Vorgangs von 20 auf 80 Prozent SOC bei 142 kW. An einer privaten 11-kW-Wallbox dauert die Vollladung etwa acht Stunden.
Der Clou liegt im System des Lademanagements. Erfolgt die Ladung zum Beispiel über eine 350-kW-Ladestation mit 800 Volt, gelangt die Energie auf direktem Weg zur HV-Batterie. Wird hingegen nur über eine 400-Volt-Ladestation geladen, wird der hintere Antriebsmotor dazu genutzt, die Spannung in Verbindung mit dem Wechselrichter in 800 Volt umzuwandeln. Dadurch lässt sich weniger Energieverlust und Hitzeentwicklung erzielen. Das Lademanagement ist so konzipiert, dass über die Vehicle-to-Load-Funktion ermöglicht wird, Strom mit einer Leistung bis zu 3,6 kW aus der internen HV-Batterie zu entnehmen. Über einen entsprechenden Adapter lässt sich der Ladeanschluss auch als herkömmliche 230-V-Steckdose nutzen.
Der EV6 GT ist das einzige Elektroauto, das über das RBM-System (Regenerative Braking Maximization) verfügt, welches ein sehr hohes regeneratives Bremsmoment von bis zu 320 kW an die Vorder- und Hinterräder liefert. Durch die variable Steuerung des regenerativen Bremsverhältnisses von 50:50 bis maximal 70:30 für die Vorder- und Hinterräder ist ein stabiles Bremsen möglich. Mit den Schaltwippen am Lenkrad kann der Fahrer das regenerative Bremssystem regeln. Es nutzt freiwerdende Bremsenergie und steigert dadurch die Reichweite und Effizienz. Im «i-Pedal»-Modus lässt sich der EV6 zum Stillstand bringen, ohne das Bremspedal zu betätigen. Das Bremssystem orientiert sich beim regenerativen Fahren im Leerlauf sowohl an Navigations- als auch an Radardaten.
Der Luftwiderstand ist beim Elektroauto noch wichtiger als beim Verbrenner. Je geringer er ist, desto weniger Energie muss aufgewendet werden, um diesen Widerstand zu überwinden. Und aufgrund der kürzeren Reichweite und der Dauer des Batterie-Ladens kommt dem Thema Aerodynamik beim E-Auto eine grosse Bedeutung zu. Der cW-Wert des EV6 liegt bei 0,28. So erreicht der koreanische Vollzeitstromer beim WLTP-Verbrauch mit 20,6 kWh/100 km einen moderaten Wert. Bei der Energieeffizienz reicht dies für die Kategorie B, während die Basisversion im A eingestuft ist. Beim EV6 GT liegt die Reichweite im normalen Alltagsgebrauch bei rund 400 Kilometern. Eine Wärmepumpe nutzt die Abwärme des Motors und anderer elektrischer Komponenten, um den Reichweitenverlust im Winter um fast 19 % zu senken.
Bezüglich Fahrsicherheit gehört der Kia EV6 GT zu den fortschrittlichsten Elektroautos auf dem Markt. Die Vielzahl von modernen Assistenzsystemen tragen dazu bei, die Sicherheit und den Komfort des Fahrers und der Insassen zu maximieren. Dazu gehören das intelligente Scheinwerfersystem (Bi-LED), der adaptive Tempomat, der Spurhalteassistent, Totwinkelassistent (BCA), Querverkehrswarner, autonome Notbremsassistent, Fernlichtassistent und der Parkassistent. Zudem verfügt der Kia über eine 360-Grad-Kamera sowie über ein 12,3 Zoll grosses Head-up-Display mit Augmented-Reality-Funktion. Das intelligente Parksystem unterstützt das Ein- und Ausparken. Und mit der 7-Jahre-Kia-Connect-App und den Kia-On-Board-Services liefert das Fahrzeug ständig Live-Informationen zu Fahrzeugzustand und Fahrroute.
Der EV6 nutzt die hochmoderne E-GMP-Plattform aus dem Konzern, die über die 800-Volt-Antriebstechnik verfügt. Das ist der doppelte Wert der sonst üblichen Spannung und bringt vor allem bei der Ladegeschwindigkeit massive Zeitvorteile. Die GT-Version vermittelt viel Fahrspass, verbunden mit modernsten Sicherheitssystemen und hohem Komfort. Wenn man das Gesamtpaket betrachtet, ist der Preis von rund CHF 78 000.– fast schon ein Schnäppchen. Dazu bietet Kia auf dem ganzen Fahrzeug inklusive der Hochvoltbatterie eine 7-Jahre-Werksgarantie oder maximal 150 000 Kilometer.
Autor: Markus Rutishauser/ww