Via sicura

Wer zu schnell fährt ist nicht immer gleich ein Raser

Gemäss Via sicura gilt als Raser, wer in Tempo-30-Zonen mit 70km/h fährt oder innerorts mit mindestens 100 km/h, ausserorts mit mindestens 140 km/h oder auf der Autobahn mit mehr als 200 km/h unterwegs ist. Diese Autofahrer werden in jedem Fall zu einer bedingte einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt und müssen ihren Führerausweis für zwei Jahre abgeben.

Mit der aktuellen rigiden Regelung der Via sicura gibt es für die Richter keinerlei Spielraum, um den Einzelfall zu bewerten. Doch es stellt sich die Frage: Ist jedermann, der zu schnell fährt, auch ein Raser? Sollte nicht unterschieden werden können, zwischen Automobilisten, die fahrlässig mit überhöhter Geschwindigkeit fahren, und denjenigen, die dies vorsätzlich tun und die Gefährdung Dritter ganz bewusst in Kauf nehmen?

Nehmen wir das Beispiel eines ortsunkundigen Autofahrers, der nicht bemerkt, dass er sich in einer Tempo-30-Zone befindet, sondern sich in einer Zone wähnt, wo «generell 50» gilt, und der mit einer Geschwindigkeit von 70km/h geblitzt wird. Er wird genauso mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe bedingt und zwei Jahren
Führerausweisentzug bestraft, wie derjenige, der sich auf der Autobahn mit 250 km/h ein Rennen mit einem Kollegen liefert. Ist das wirklich fair? Wir finden nein. Hier sollten die Richter einen Ermessensspielraum haben, um den Einzelfall zu beurteilen. Der ortsunkundige Fahrer fährt zwar mit überhöhter Geschwindigkeit, wofür er auf jeden Fall bestraft werden sollte, aber er wird durch Fahrlässigkeit zum Raser, nicht durch Vorsatz. Derjenige, der sich ganz bewusst, aus reinem Vergnügen und ohne Rücksicht auf Verluste einem Rennen auf der Autobahn aussetzt, handelt mit Vorsatz. Er gefährdet Dritte vorsätzlich an Leib und Leben und muss aus unserer Sicht vom Richter anders beurteilt und bestraft werden können. Dies selbst dann, wenn es zu keinem Unfall kommt. Dem ACS ist es wichtig, dass die Richter zukünftig auch wieder die konkreten Umstände des zu beurteilenden Deliktes in das Urteil einfliessen lassen und eine, dem Einzelfall angemessene Bestrafung aussprechen können. Es kann nicht sein, dass jeder Temposünder grundsätzlich als Verbrecher geächtet wird.

Vor einem halben Jahr hat der Bundesrat eine erste Bilanz zum «Via-Sicura»-Paket gezogen. Diese fiel «grundsätzlich positiv» aus. Das Alkoholverbot für Neulenkerinnen und -lenker, das Lichtobligatorium am Tag für Motorfahrzeuge und verschiedene Massnahmen an der Infrastruktur hätten die Sicherheit erhöht. Zur effizienteren und verträglicheren Ausgestaltung von Via sicura schlägt der Bundesrat verschiedene Anpassungen vor. Bei den Raserdelikten ist es für ihn denkbar, auf eine Mindestfreiheitsstrafe zu verzichten und die Mindestdauer des Führerausweisentzugs auf sechs Monate zu senken. Ausserdem könnte aus Sicht des Bundesrates den Gerichten bei der Anwendung des Rasertatbestands ein grösserer Ermessensspielraum eingeräumt werden.

Das Parlament ist diesbezüglich bereits aktiv geworden. Die Verkehrskommission des Ständerats hat in einer Motion unter anderem verlangt, den Richtern bei fahrlässigem Handeln des Beschuldigten mehr Spielraum zu geben. Die Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr soll gestrichen und die Mindestdauer für den Führerausweisentzug reduziert werden. Der Ständerat hat dieser Motion einstimmig zugestimmt und sie an den Nationalrat überwiesen. Dort wird sie in der laufenden Frühlingssession debattiert werden. Der ACS hofft, dass der Nationalrat dem Ständerat folgt und verlangt im Falle einer Annahme der Motion, eine rasche Umsetzung aller vom Bundesrat vorgeschlagenen Anpassungen.

Thomas Hurter
Zentralpräsident
Automobil Club der Schweiz

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