«Autos der Arbeiter- und Mittelklasse haben für mich eine spezielle Faszination. Der wirtschaftliche Aufschwung Anfang der Fünfzigerjahre, die positive Energie, welche damals die Gesellschaft prägte, sind für mich bis heute faszinierend und werden durch kaum ein Ereignis besser dokumentiert als durch die Wiederauferstehung der Automobilproduktion in Europa. Vor allem die deutschen Hersteller fanden nach der fast totalen Zerstörung ihrer Fabriken erstaunlich schnell zurück zu einer innovativen und effizienten Produktion von Automobilen. Auch wenn dies zum Teil unter dem wachsamen Auge und der Ägide der Besatzungsmächte geschah, hatte Opel rasch wieder neue Modelle entwickelt und konnte schon bald die Nachfrage kaum meistern.
Der Opel Olympia Rekord, mit seinem amerikanisch geprägten Design und seiner zuverlässigen deutschen Technik, war ein typischer Vertreter der damaligen Mittelklasse. Ein Auto war aber nicht einfach Statussymbol, sondern war vor allem dazu da, genutzt, um dann nach ein paar Jahren durch das neueste Modell ersetzt zu werden. Die wenigsten dieser Autos der Arbeiter- und Mittelklasse haben, obwohl zu Tausenden produziert, überlebt und die Chance, ein originales, unverbasteltes und sogar unrestauriertes Exemplar zu finden, ist nahezu null. Ich hatte vor etwa zehn Jahren bei einem Oldtimerhändler einen alten Chevrolet kaufen wollen, aber daraus wurde nichts.
Meine Aufmerksamkeit wurde dafür auf einen Opel Olympia Rekord aus erster Hand mit gerade mal 88 000 Kilometern Laufleistung gelenkt. An und für sich nichts Besonderes, ausser dass das Auto genau in mein Beuteschema passte. Was mich sofort faszinierte, war die lückenlos und umfangreich dokumentierte Geschichte sowie der absolut unrestaurierte Originalzustand.
Diese Originalität ist heute fast nicht mehr zu finden
So etwas findet man heute eigentlich gar nicht mehr! Logischerweise kaufte ich
den Opel auf der Stelle und eine Veteranen-MfK gab’s auch noch dazu. Beim
Heimfahren ging mir allerdings gleich das Benzin aus – die damaligen
Tankanzeigen waren noch nicht so zuverlässig – aber zum Glück konnte ich den
Opel die leicht abfallende Strasse runterrollen lassen und erreichte an deren
Ende auch gleich eine Tankstelle.
Viel musste ich an meinem Olympia bis dato nicht machen. Der Kühler wurde vor zwei Jahren revidiert und eine neue Batterie eingebaut. Die Sitze wurden unter den originalen (!) Bezügen neu aufgepolstert, aber sonst präsentiert sich das Auto fast wie am ersten Tag. Die Schaltung (3-Gang Lenkradschaltung mit unsynchronisiertem ersten Gang) bedarf etwas Geduld, Gefühl und natürlich Zwischengas bzw. -kuppeln. Der Anlasser wird nicht mit dem Schlüssel, sondern mit einem fussbetätigten Knopf oberhalb des Gaspedals gestartet. Die (fast) perfekte Diebstahlsicherung und ein amüsantes Detail, welches mich schon als Kind beim Opel eines Nachbarn fasziniert hatte.
Der Olympia ist sehr angenehm zu fahren, mit 40 PS natürlich keine Rakete, aber zum entspannten Cruisen der ideale Begleiter. Einen sehr schönen Ton hat er auch und die vielen netten Begegnungen mit Gleichgesinnten sind immer eine Freude. Auch deshalb wird mein Opel bei mir bleiben, solange es mich gibt!»