Vom Rallye auf die Piste - mit intakter Leidenschaft Ivan Ballinari: was der Champion vorhat

31.07.2023

Ende letzten Juni hatten wir das Vergnügen, mit einem tollen Kerl (erlauben Sie mir diese Bezeichnung für einen 46-jährigen Mann) einen Kaffee zu trinken und ein leidenschaftliches Gespräch zu führen. Er hat im Laufe seiner Karriere als Rennfahrer ein aussergewöhnliches Talent an den Tag gelegt und seine Resultate mit einer beneidenswerten Kontinuität abgeliefert. Heute fährt er mit einer ACS-Lizenz und unter unseren Botschaftern ist er bestimmt einer der meistbeachteten. Sein riesiger Verdienst ist es, zweimal (2018 und 2019) die Schweizer Rallye-Meisterschaft gewonnen zu haben und die sehr begehrte Trophäe südlich der Alpen anzusiedeln. Meine Damen und Herren: es ist der Schweizer Meister Ivan Ballinari.

Zur Abwechslung hast Du im letzten Jahr auch im Ausland brilliert...

Alle Anstrengungen galten der Tour European Rally (TER), wo ich knapp am Sieg vorbeifuhr und hinter dem einzigartigen und ausgezeichneten Hayden Paddon Zweiter wurde. Er ist ein Halb-Profi und besitzt eine solide Erfahrung, die er auf Rennstrecken und bei Ausdauerrennen erworben hat. 2022 habe ich 9 Rennen bestritten, zwei davon fanden weit entfernt von den Regionen, wo ich normalerweise fahre, statt: eine auf Sardinien, eine aussergewöhnlich schöne Insel, die andere in Wales. Letztere konnte ich auf dem ausgezeichneten siebten Schlussplatz beenden (was für einen Teilnehmer an der Britischen Meisterschaft nicht schlecht ist) und war für mich eine der spannendsten und prägendsten Erfahrungen meiner Karriere. Ich habe begriffen, dass eine Rallye auf tausend verschiedene Arten erlebt werden kann. Unter den Konkurrenten herrschen Loyalität und Kollegialität, die ich bis heute anderswo noch nie erlebt habe. Ich wünsche allen jungen Piloten, dass sie möglichst schnell einmal daran teilnehmen können.


Und doch hast Du dich 2023 entschieden, dich anderen Zielen zuzuwenden. Was hast Du noch im Köcher?

Die Teilnahme an Rallyes von hohem Niveau ist keine einfache Sache, denn sie setzt persönliches Engagement und finanziellen Aufwand voraus. Die vom Covid verursachten «Stop & Go-Jahre» haben die Situation für die Sponsoren noch komplizierter gemacht. Die Regulierungsreform zur Eindämmung der Kosten war nicht erfolgreich, ganz im Gegenteil. Dank den Youtubern, die ihre Posts weltweit verbreiten, habe ich dann die Welt der Legend Cars entdeckt. Das ist eine abgeleitete Kategorie von Nachbildungen amerikanischer Autos der Jahre 1930 und 1940 im Maßstab 5/8, mit Motorräder-Motoren und -Schaltungen. Ich bin überzeugt, dass diese Fahrzeuge auch aus Gründen finanzieller Zugänglichkeit für mich der ideale Weg sind, um auf den Rennstrecken zu beginnen.

Wie sehen deine Ziele für dieses neue Abenteuer aus?

Im Moment bin ich sowohl auf technischer Ebene wie beim Fahren in der Vorbereitungsphase. Ich muss mir die Rennstrecken-Routine aneignen: wie muss man sich beim Überholen verhalten, wie kann man seine Linie verbessern, wie seine Position verteidigen... Für einen Rallye-Piloten ist auch eine andere Sache wichtig: man muss sich daran gewöhnen, dass man keinen Mitfahrer an Bord hat. 2023 möchte ich einige Rennen beenden können, ohne dabei zu zahlreiche Engagements und Verpflichtungen einzugehen, aber auch um einige Fans zu mobilisieren. Gegenwärtig sind wir vier Tessiner Piloten und haben vor, eine Gruppe zu bilden, von der man sagen kann «Liegt am Samstag ein Ausflug nach Varano drin? Ok, organisieren wir einen Lieferwagen und den Anhänger – und los geht’s!». In Zukunft hingegen könnte man sich der italienischen Meisterschaft zuwenden, an der ungefähr fünfzig Autos einer Einheitsmarke teilnehmen und die auf interessanten Rennstrecken wie Monza, Magione, Varano oder Vallelunga stattfinden. Doch die Welt der Legend Cars ist kein Ziel, sondern ein Start; eine Art Lernprozess zur Krönung meines unerfüllten Traums: in einem mit allem Zubehör ausgestatteten Rennstrecken-Auto Rennen zu fahren.

Und was die Rallyes betrifft?

Ich habe den Kampfgeist im Blut, doch mit 46 Jahren muss man vielleicht darauf verzichten, ein Ziel mit allen Mitteln erreichen zu wollen, wie es vor einigen Jahren möglich war. Man sollte stattdessen dem Vergnügen Platz machen. Ich hatte das Glück, während mehrerer Saisons auf einem hohen Niveau mithalten zu können und zwei Siege ins Tessin zu holen. Doch es ist nicht ausgeschlossen, dass ich noch einmal an einer Meisterschaft teilnehme, vielleicht auf heimischen Strassen. Wir werden sehen, die Leidenschaft ist immer noch intakt.


Siehst Du einen Nachfolger für dich?

Die harte Welt des Rallye-Sports setzt voraus, dass man über ein grosses Budget verfügen muss, um konkurrenzfähig zu sein. Falls dies nicht der Fall ist, wird es kompliziert. Aber das Tessin ist immer noch das Land der guten Piloten, und ich denke, dass Kim Daldini uns in Sachen Kompetenzen noch überraschen wird. Und dann gibt es auch noch meinen Sohn Jules: er beginnt, auf seinen Kartings zu fahren und, wer weiss... vielleicht tritt er in einigen Jahren in die Fussstapfen seines Vaters.

Ivan Ballinari

ACS Botschafter

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