Die Zehnerpackung - Zehnzylindermotoren

Zehnzylindermotoren gibt es als Benziner und als Diesel, im LKW, im SUV, in der Limousine und im Sportwagen. Trotzdem blieb der V10 stets ein Exot zwischen den V8- und V12-Aggregaten.

Acht- und Zwölfzylindermotoren trieben schon in den 1930er-Jahren Oberklassemodelle an. Heute tun sie das immer noch, obwohl das Damoklesschwert in Form der Elektromaschine immer bedrohlicher wird. Konzepte mit mehr als zwölf Zylindern haben nur gerade bei Bugatti überlebt – als doppelte V8-Motoren in der Modellreihe Chiron. Besonders fantasievolle Ideen wie etwa der in den 1980er-Jahren von Claudio Zampolli und dem Musikproduzenten Giorgio Moroder entwickelte Hochleistungssportwagen Cizeta mit V16-Mittelmotor oder der Cadillac-Prototyp Sixteen des Jahres 2003 gelangten nie in Serienproduktion und verschwanden schnell wieder von der Bildfläche.

Kompakter, aber nicht so leistungsstark wie ein V12, und kräftiger, aber nicht so effizient wie ein V8 quetschten sich schon in den 1960er-Jahren erste V10-Motoren zwischen die beiden Vorbildkonzepte V8 und V12. Etwas überraschend übten die eher exotischen Zehnzylindermotoren schnell eine ganz besondere Faszination aus. Heute zählen sie allerdings zu den stark bedrohten (Motor-)Arten.

Im Audi R8 ist der Zehnzylindermotor zwischen Hinterachse und Fahrer installiert – für eine optimale Fahrdynamik.
Im Audi R8 ist der Zehnzylindermotor zwischen Hinterachse und Fahrer installiert – für eine optimale Fahrdynamik.

Via LKW und Formel 1

Auf die Idee eines V10-Motors kamen LKW-Entwickler Ende der 1960er-Jahre, als es galt, die für 38-Tonner gesetzlich geforderte Mindestleistung zu erhöhen und V8-Aggregate dazu nicht mehr ausreichten. Am andern Ende der Leistungsskala brachte die Formel 1 nach dem Verbot der Turbolader Zehnzylindermotoren als Kompromisslösung. Zwischen 1989 und 2006 bauten BMW, Ferrari, Honda, Peugeot, Mercedes und Renault Dreiliter-Zehnender. Auffallendstes Merkmal war deren giftiger Hochdrehzahl-Sound.

Im Personenwagensektor war der V10 erstmals 1992 im Dodge Viper anzutreffen – mit einem Hubraum von acht Litern, der bis zum Produktionsende auf 8,4 Liter wuchs und den Leistungsrahmen von anfänglich 394 auf 654 PS steigen liess. Erst bei 5000/min lieferte der Big Block das maximale Drehmoment von 814 Nm, und die Höchstleistung erreichte er bei 6200/min. Vom riesigen Chrysler-V10 profitierten auch Kleinstserien-Sportwagen wie der Bristol Fighter in den Nullerjahren oder der GTA Spano und der VFL Force 1 Mitte der Zehnerjahren. Im Dodge Ram SRT-10 präsentierte sich der Viper-V10 sogar auch als Pickup-Antreiber.

In den 90er- und den 00er-Jahren traten zahlreiche Formel-1-Teams mit V10-Aggregaten auf. Anfang April wird die V10-Ära anlässlich des Members’ Meeting in Goodwood gefeiert.
In den 90er- und den 00er-Jahren traten zahlreiche Formel-1-Teams mit V10-Aggregaten auf. Anfang April wird die V10-Ära anlässlich des Members’ Meeting in Goodwood gefeiert.

Viel Hubraum, Drehzahl und Leistung

Aktuell noch in Sportwagen verbreitet ist der V10 von Audi, der diverse R8-Varianten antreibt. Eine Zeitlang kam er auch in den Modellen S6, RS6 und S8 zum Einsatz. In der Hubraumversion mit 5,2 Litern wird der Motor im R8 und im Lamborghini Huracan in Längsrichtung vor der Hinterachse installiert. Und von Audi erfährt man noch: «Der R8 V10 Performance RWD wird nicht das letzte R8-Derivat sein. Zum Ende des Jahrzehnts hin wollen wir aber nur noch reine Elektrofahrzeuge und hoch-performante Plug-in Hybride anbieten.»

Bei Lamborghini werden laut Ansage ab 2023 alle Verbrenner hybridisiert sein. Die früheren Modelle Gallardo und Sesto Elemento aus Sant’Agata verliessen sich ebenfalls auf diesen Zehner, ebenso wie der Hispano-Suiza, dessen 5,4-Liter-Variante mit zwei Turboladern und E-Kompressor weiter aufgerüstet wurde. Weitere Anwendungen findet dieser V10 im Panther Progettouno von Ares, einer Neuauflage des De Tomaso Pantera. Auch der Pambuffetti PJ-01, ein italienisches Hypercar-Projektfahrzeug, setzt auf den Audi-Motor.

BMW, Porsche und VW haben sich dagegen wieder vom V10-Konzept verabschiedet. Bei den Bayern trieb der Zehnzylinder-V-Motor S85 zwischen 2005 und 2010 die Modelle M5 und M6 an. Frei saugend lieferte der Fünflitermotor eine Maximalleistung von 507 PS. Porsche entlockte 2003 seinem 5,7-Liter-V10 im Carrera GT 590 Nm und 612 PS. Eine Turbodieselvariante im V10-Format baute VW für die Modelle Phaeton und Touareg. Aus gut 4,9 Litern Hubraum resultierten 750 Nm und 313 PS. Selbst die Japaner liessen sich eine Zeitlang vom 10-Zylinder-Konzept begeistern. Über der Vorderachse des Zweisitzers Lexus LFA war zwischen 2010 und 2012 der von Toyota und Yamaha entwickelte 4,8-Liter-V10 LR platziert. Er lieferte 480 Nm und 560 PS an die Hinterräder.

Audi-V10
Audi-V10
Auch im Lamborghini Huracan sorgt der 5,2-Liter-V10 für ungestümes Temperament.
Auch im Lamborghini Huracan sorgt der 5,2-Liter-V10 für ungestümes Temperament.

Aufbäumen mit Fauchen und Röhren

Für den R8 der zweiten Generation aktualisierte Audi den 5.2 FSI im Jahr 2015 mit zusätzlicher Saugrohreinspritzung und mit Zylinderabschaltsystem, um im unteren und mittleren Lastbereich die Effizienz zu steigern. Für die variable Ventilsteuerung lassen sich die vier Nockenwellen im Kurbelwinkel um 42 Grad verstellen. Ebenfalls typisch für die Saugmaschine mit dem 90-Grad-Zylinderbankwinkel sind das bis 8700/min reichende Drehvermögen und die Trockensumpfschmierung, die auch bei Querbeschleunigungen im Bereich von 1,5 g eine sichere Ölzufuhr garantiert. Die Common-Pin-Kurbelwelle, aus der sich wechselweise Zündabstände von 54 und 90 Grad ergeben, trägt mit der Zündfolge 1–6–5–10–2–7–3–8–4–9 wesentlich zum charakteristischen Sound bei – inklusive Brabbeln beim Gaswegnehmen und Patschen beim Gangwechsel unter Volllast. Mit zwei Klappen in der Abgasanlage kann die Klangkulisse in Richtung Komfort oder Sport beeinflusst werden. Prägend für den unverwechselbaren Sound ist ausserdem die extrem hohe Kolbengeschwindigkeit von bis zu durchschnittlich 26,9 Meter pro Sekunde.

Im aktuellen Audi R8 V10 Performance RWD leistet das Aggregat bei 8000/min 570 PS und bringt bei 5500/min ein Maximaldrehmoment von 550 Nm. Entsprechend überragend sind die Fahrleistungen: Tempo 100 km/h ist aus dem Stand in 3,7 Sekunden erreicht, und die Höchstgeschwindigkeit beträgt 329 km/h. Die 4x4-Version Performance Quattro offeriert sogar 580 Nm und 620 PS.

Selbstverständlich hat sich der Audi-V10 auch im Rennsport bewährt. Sein Debüt gab er schon 2009 im GT3-Modell R8 LMS, und seit Anfang 2018 erweitert der R8 LMS GT4 das Kundensportprogramm. In beiden GT-Kategorien weist der Motor nur kleine Unterschiede zum Serienmotor auf. Die Fertigung erfolgt im ungarischen Werk Györ.

Bilder: Werk/zVg
Text: Stephan Hauri

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