Beim Bau eines Autos kommen unterschiedlichste Materialien zum Einsatz. Die meisten von ihnen werden am Ende des Autolebens aufbereitet und der Wiederverwertung zugeführt. Der erste Teil unserer Recycling-Betrachtung betrifft das konventionelle Auto, der zweite Teil ist dann den Komponenten der Elektrofahrzeuge gewidmet.
Rund 4,7 Millionen Personenwagen waren im vergangenen Jahr auf Schweizer Strassen unterwegs. Laut Angaben der Stiftung Auto Recycling Schweiz wurden 250’000 ausser Betrieb gesetzt – 141’800 exportiert, hauptsächlich nach Ost- und Südosteuropa sowie Afrika. Daniel Christen, Geschäftsführer der Stiftung, erklärt: «Beim Export fand eine Verschiebung statt. Es werden mehr Fahrzeuge in Balkanstaaten exportiert als nach Afrika. Das dürfte auch mit Corona und den Handelswegen zusammenhängen.»
Autohersteller und Importeure sind seit rund 20 Jahren gesetzlich verpflichtet, Altfahrzeuge zurückzunehmen und einer geordneten Verwertung zuzuführen. Dabei sollen mindestens 95 Prozent des Fahrzeuggewichts rezykliert werden. Die Wiederverwertung von Werkstoffen wird unterteilt in rohstoffliches, werkstoffliches und thermisches Recycling. Damit werden Werkstoffverbindungen entweder wieder in ihre Ausgangsstoffe zerlegt oder der chemische Aufbau des Werkstoffs bleibt erhalten und kann wiederverwendet werden. Beim thermischen Recycling wird das Material verbrannt und die Wärmeenergie zum Heizen genutzt.
Die Rohkarosserie eines Autos besteht meistens zu grossen Teilen aus Stählen unterschiedlicher Festigkeit. Hauben und Türen werden oft aus Aluminium oder Kunststoffen gefertigt. Manche Hochleistungssportwagen besitzen eine Fahrgastzelle aus kohlefaserverstärktem Kunststoff und eine Aluminium-Aussenhaut.
Nach Möglichkeit sollten die Materialien beim Recycling möglichst sortenrein separiert werden. 70 bis 75 Prozent des Gewichts eines modernen Autos machen Metalle aus. Diese sind vergleichsweise einfach zu rezyklieren. Rund 98 Prozent werden zurückgewonnen und wieder als Rohmaterial genutzt.
Das Recycling von Stahl benötigt 60 bis 75 Prozent weniger Energie als die Primärerzeugung. Aus dem Schreddermaterial werden die Eisenwerkstoffe mit Magneten herausgefischt. Gereinigter Schrott aus Stahl und Edelstahl kommt in einen Elektroofen, von wo aus die Schmelze zur Weiterverarbeitung geleitet wird, um Kohlenstoff- und Stickstoffüberschüsse zu beseitigen. So entsteht ein wertvoller Sekundärrohstoff.
Das Aluminium aus der Schredderfraktion der Nichteisenmetalle wird eingeschmolzen. Die dazu nötige Energie beträgt nur fünf Prozent des Energieeintrags, der zur Herstellung aus Bauxit benötigt wird. Die bei der Primärproduktion des Aluminiums eingesetzte Energie bleibt also im Werkstoff erhalten. Beim sortenreinen Recycling entsteht kein Verlust der Qualität des Metalls. Die Wiederverwertung unterschiedlicher Alu-Werkstoffe ist jedoch mit einem Downcycling verbunden. Das heisst, dass die Materialqualität nach dem Schmelzen niedriger ist.
Ein konventionelles Mittelklasseauto enthält ausserdem rund 25 kg Kupfer, ein Elektroauto sogar mehr als 70 kg. Dank sorgfältigem Altauto-Recycling wird der Kupferbedarf heute fast zur Hälfte durch rezykliertes Kupfer gedeckt.
Obwohl im Automobilbau Kunststoffe die Metalle teilweise ersetzt haben, wird ihr Anteil bei rund 20 Prozent verbleiben. Allerdings lassen sich die zahlreichen Sorten derzeit nicht mit vernünftigem Aufwand in genügender Qualität trennen. Das bedeutet, dass die Wiederverwendung auch in diesem Fall mit Downcycling einhergehen muss – das Rezyklat also nur noch für Bauteile einsetzbar ist, die niedrigere Qualitätsanforderungen zu erfüllen haben.
Noch keine geeigneten und wirtschaftlichen Aufbereitungsverfahren gibt es für kohlefaserverstärkte Kunststoffe, die zunehmend in Strukturbauteilen Verwendung finden, wo sie hohe Festigkeitseigenschaften beweisen. Carbon-Fasern können mit konventionellen Methoden praktisch nicht abgetrennt und stofflich verwertet werden. Eine Untersuchung der RWTH Aachen hat auch ergeben, dass diese Fasern mit den üblichen Verbrennungsverfahren für Abfälle nicht vollständig zerstört werden können.
Während sich die Metalle beim Recycling ausgedienter Autos vergleichsweise einfach der Wiederverwendung zuführen lassen, bleibt ein Rest, der sich nicht mehr sortenrein trennen lässt. Dieser sogenannte Resh (Reststoffe aus dem Schredder) besteht aus nicht-metallischen Abfällen von Kunststoffen, Textilien oder Gummi-Werkstoffen sowie Glas, Leder und Lackstaub. Dieses Abfallmaterial wird in Kehrichtverbrennungsanlagen beigemischt oder muss als Sondermüll entsorgt werden.
Zwar sind noch nicht alle Probleme der Wiederaufbereitung gelöst, doch ist festzuhalten, dass die Autohersteller vermehrt auf rezyklierte Materialien und auf Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen setzen. Diese Rezyklate sind aber nicht minderwertige Materialien, sondern sie erfüllen die gleich hohen Qualitätsanforderungen wie Primärwerkstoffe. So fertigt beispielsweise Audi Sitzpolster mit Fasern aus ausgedienten PET-Flaschen, und viele andere grosse Hersteller verwenden für Tür-Innenverkleidungen und andere Abdeckungen Thermoplaste, die mit Hanf-, Sisal-, Flachs-, Bananen- oder Kenaffasern verstärkt sind. Jaguar Land Rover verbaut Teppiche und Dämmmaterial aus der rezyklierten Nylonfaser Econyl, die der italienische Kunstfaserspezialist Aquafil aus Plastikabfällen herstellt.
Alternative Materialien werden jedoch nicht nur für Interieur-Bauteile eingesetzt, sondern auch für Reifen: Continental macht Versuche mit Reifen, in denen Naturkautschuk teilweise durch Löwenzahn ersetzt wird, und BMW stattet den X5 x-Drive 45e neu mit Pirelli-Reifen aus, die mit nachhaltigem Naturkautschuk und Rayon, einem holzbasierten, verstärkenden Material gefertigt werden. Die EMPA (Eidgenössische Material-Prüfungsanstalt) prüft die Möglichkeiten des Einsatzes von Altreifen in Strassenbelägen. Rohstoff ist im Überfluss verfügbar, denn jährlich müssen in der Schweiz rund 70 000 Tonnen Altreifen entsorgt werden. Anstatt diese dem Resh beizumischen oder sie in Zementwerken zu verbrennen, könnten sie dem Altasphalt beigemischt werden, der schon heute ebenfalls rezykliert wird. Im Empa-Forschungsprojekt soll geklärt werden, welchen Nutzen Gummipartikel aus Altreifen hinsichtlich Plastizität, Rückverformung und Lebensdauer des Strassenbelags bringen könnten.
Text: Stephan Hauri
Bilder: zVg