Die Transformation bei der Antriebstechnik für Personenwagen und Nutzfahrzeuge geht schnell voran. Die E-Mobilität und damit auch die Batterie sind in den Mittelpunkt gerückt. Omnipräsentes Thema ist die Feststoffbatterie, die gleich mehrere Nachteile aktueller Stromspeicher beseitigen soll.
Wer vermutete, das Internationale Motorensymposium Wien, eine traditionell grosse Versammlung der Spezialisten für Verbrennungsmotoren, würde sich als Folge der disruptiven Antriebswende im Automobilbau schnell auflösen, liegt falsch. Auch nach dem Corona-bedingten zweijährigen Unterbruch trafen sich 2023 wieder gut 1000 Interessierte aus aller Welt in der Wiener Hofburg. Dem regelmässigen Besucher des Symposiums fiel auf, wie schnell und elegant das Symposium die Transformation vom Verbrennungs- zum Elektromotor umgesetzt hat. Auch bei der diesjährigen Durchführung stand wieder das Miteinander von Antriebssystemen sowie Energieträgern, Energiespeichern und Energiewandlern im Mittelpunkt.
Im Mittelpunkt steht heute weltweit die Weiterentwicklung der Elektroantriebe. Autohersteller und Zulieferer widmen sich der kontinuierlichen Verbesserung der Komponenten Batterie, Motor und Leistungselektronik. Besonders auf dem Gebiet der Batterien sind weitere Fortschritte dringend notwendig. Besonders Festkörperbatterien könnten eine wesentliche Steigerung der Leistungsdichte bringen. Seit rund zehn Jahren werden solche Batteriesysteme als kurz vor der Serienreife angekündigt, aber noch immer ist technologische Weiterentwicklung nötig, denn die geforderte Lebensdauer und die Zuverlässigkeit können noch nicht gewährleistet werden. VW-Vorstand Thomas Schmall nannte beim Wiener Motorensymposium das Jahr 2027 als Starttermin der ersten serienmässigen Festkörperbatterie.
Aufgrund ihres Potenzials für hohe Energiedichte und Sicherheit betrachtet Hendrik Löbberding vom deutschen Entwicklungsunternehmen FEV Festkörperbatteriezellen als das «nächste grosse Ding» bei der Weiterentwicklung der Batterie. Allerdings gebe es noch zahlreiche Herausforderungen in Bezug auf die technische Reife sowie auf das Produktionsverfahren und die Kosten. Zudem seien die Ziele der Autohersteller extrem ambitioniert: 900 Kilometer Reichweite und Batteriepreise von maximal 75 Euro pro Kilowattstunde. Heute entwickeln und analysieren weltweit schon sehr viele Batteriehersteller Festkörpersysteme. Führend seien noch immer Unternehmen aus Ostasien, sagte Löbberding in Wien, doch seit kurzem seien auch die US-amerikanischen Batterieentwickler in Schwung gekommen. FEV hat sich bei der Forschung an Festkörpersystemen mit dem taiwanesischen Partner Prologium, zusammengetan.
Werden in einer Lithium-Ionen-Batterie Anode und Kathode nicht durch einen flüssigen, sondern durch einen festen Elektrolyten getrennt, ist die Materialwahl sehr knifflig, da es eine Vielzahl von Möglichkeiten gibt. Für die Batterieentwickler gilt es dann, die optimale Zusammensetzung des Festelektrolyten zu finden. Allein schon für die heute geläufigste Zellchemie mit Graphit-Anode und NMC-Kathode (Nickel, Mangan, Cobalt) gibt es zahlreiche Materialien, die als Elektrolyte in Frage kommen. Die Chemiefrage wird noch komplexer, wenn man die Weiterentwicklungen bei Anode und Kathode berücksichtigt. In der Anode wird dem Graphit Silizium beigemischt – derzeit technisch vernünftig bis rund 20 Prozent. Auf der Kathodenseite werden LFP-Systeme (Lithium-Eisen-Phosphat) aus Ressourcen- und Kostengründen immer interessanter.
Als Materialien für Festkörperelektrolyten kommen Keramiken – Oxide und Sulfide – und leitende Polymere in Frage. Die Vielfalt der Zellchemie für Festkörpersysteme mit unterschiedlichsten Eigenschaften erfordert denn auch sehr anwendungsspezifische Entwicklungen. Ausserdem sind Lösungen mit sowohl flüssigen als auch festen Elektrolyten denkbar. Solche Hybridkonzepte weisen eine etwas geringere Energiedichte auf als Voll-Festkörpersysteme. Laut Löbberding ist noch nicht klar, welche Systeme sich in der nächste Generation der Lithium-Ionen-Batterien durchsetzen werden.
In den kommenden Jahren werden weiterhin zahlreiche Zellchemievarianten im Wettbewerb stehen, denn ein Königsweg ist nicht absehbar. Und schliesslich wird, abgesehen von allen technischen Aspekten, auch in Zukunft der Batteriepreis eine wichtige Rolle spielen.
Marc Sens vom deutschen Engineering-Unternehmen IAV präsentierte in Wien das Hybridsystem Twin Battery. Dieses setzt sich zusammen aus acht Festkörper-Lithium-Ionen-Modulen mit Zellen mit Lithium-Metall-Anode und LFP-Kathode sowie zwei Flüssigelektrolyt-Natrium-Ionen-Modulen. In diesem nachhaltigen Batteriepaket wurde besonders auf lange Lebensdauer, gute Rezyklierbarkeit und bescheidene Kosten der verwendeten Materialien geachtet. Zwar müssen mit den Natrium-Ionen-Zellen leichte Einbussen bei der Energiedichte in Kauf genommen werden, doch wird dieser Nachteil mindestens teilweise aufgehoben durch die ausgezeichnete Schnellladefähigkeit, die Performance bei tiefen Temperaturen und die gute Altersresistenz. Zudem sind Natrium-Ionen-Zellen sehr sicher und deutlich kostengünstiger als Lithium-Ionen-Systeme. Zudem brauchen sie im Gegensatz zu Festkörperzellen nicht beheizt zu werden.
Der grosse deutsche Zulieferer Mahle kooperiert auf dem Gebiet der Festkörperbatterien seit kurzem mit dem taiwanesischen Batteriespezialisten Prologium. Die beiden Unternehmen entwickeln gemeinsam intelligente Thermomanagement-Lösungen für Festkörperbatterien. Optimiert werden sollen insbesondere Leistung, Effizienz und Kosten, aber auch die Alterung der Systeme.
Text Stephan Hauri / Bilder sh/zVg