Tag der Schweizer Garagisten 2023

Herausforderung Autohandel

Das Auto bewährt sich seit langem als praktisches, jederzeit verfügbares Verkehrsmittel. Und es wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Trotz zahlreicher gesetzlicher und gesellschaftlicher Hürden blickten Verbandspräsident Thomas Hurter und viele Referenten beim „Tag der Schweizer Garagisten“ in Bern optimistisch in die Zukunft.

Thomas Hurter, Zentralpräsident des AGVS (Auto Gewerbe Verband Schweiz), ist überzeugt davon, dass das Auto nicht nur bis anhin zu faszinieren vermochte, sondern auch in Zukunft in der Schweiz das wichtigste Transportmittel bleiben wird. Trotz grosser Umwälzungen im Zusammenhang mit der Wende hin zur Elektromobilität und den vielen krisenbedingten Schwierigkeiten schaut der AGVS optimistisch nach vorne. Rund 850 Teilnehmer liessen sich Mitte Januar beim 17. Tag der Garagisten, dem grössten und bedeutendsten Branchentreffen, von Fachreferenten auf den aktuellsten Stand bringen.

Der Kursaal in Bern war am 17. Januar beim “17. Tag der Schweizer Garagisten“ die grosse Bühne für das einheimische Autogewerbe
Der Kursaal in Bern war am 17. Januar beim “17. Tag der Schweizer Garagisten“ die grosse Bühne für das einheimische Autogewerbe

Technologieoffenheit wichtig

Auch der AGVS wolle das Ziel der Politik unterstützen, bis 2050 klimaneutral zu werden, betonte Hurter im Berner Kursaal: «Aber wir sind nicht bereit, dies mit Technologieverboten und mit einer einseitigen Fokussierung zu realisieren». Gerade weil, wie Hurter festhielt, «auch 2035 noch rund zwei Drittel aller Autos mit einem Verbrenner unterwegs sein werden», wird nicht allein die schnelle Umstellung auf Elektromobilität die Lösung sein. Wichtiger als die Wahl des Antriebskonzeptes sei die Frage, woher die Energie für die Mobilität komme. Es braucht also auch eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors, damit Emissionsverbesserungen auch in Regionen möglich sind, in denen sich die Elektromobilität noch länger nicht vorherrschend durchsetzen wird. Dafür sind synthetische Treibstoffe bestens geeignet, wie sie in sonnen- und windreichen Regionen hergestellt und dann in die ganze Welt verteilt werden können.

Davon zeigten sich beim Podiumsgespräch nicht nur der Motorsport-Unternehmer Flavio Helfenstein, Geschäftsführer von Helftec Engineering, und der erfolgreiche Rennmotorenentwickler Mario Illien überzeugt, sondern auch GLP-Nationalrat Jürg Grossen. Im Gegensatz zu Grossen ist Illien allerdings kein Elektroauto-Fan. Er sagt: «Für mich ist ein Elektrofahrzeug ein Auto ohne Seele. Europa ist zudem auf dem falschen Pfad und schlittert nach der Abhängigkeit von Russland nun in jene von China.» Der Bündner machte sich in Bern stark für eine bessere Zukunft mit kleineren Autos: «Ich bin dafür, dass wir vernünftige Autos bauen. Die aktuellen Fahrzeuge sind zu gross und zu schwer. Für unsere Mobilität braucht es keine 500 PS. Die Lösung sehe ich in seriellen Hybridfahrzeugen.»

Individualverkehr und ÖV

Der Freiburger Wirtschaftswissenschaftler Reiner Eichenberger geht davon aus, dass die aktuelle Klimapolitik scheitern wird. Er fordert mehr Kostenwahrheit in der Schweizer Klima- und Verkehrspolitik, scheut sich dabei nicht vor provokativen Aussagen: «Es ist erstaunlich, wie man planen kann, wenn man nichts weiss», höhnte er. Dabei gäbe es unzählige Studien und Pläne über den Stromverbrauch für die nächsten 30 Jahre. Mobility Pricing sei die richtige Lösung, denn schliesslich kennt man das Problem: Elektroautos sind ohne Abgaben gratis auf den Strassen unterwegs. Ausserdem werde der Ausbau des ÖV nicht zu weniger, sondern zu mehr Verkehr führen, glaubt Eichenberger: «Man kann den ÖV und den Strassenverkehr nicht unabhängig voneinander betrachten. Die Verkehrsarten sind komplementär zueinander.»

«Mobilität wurde nicht erfunden, um sich schuldig zu fühlen. Sie ist dazu da, um sich gut zu fühlen», hielt Astra-Direktor Jürg Röthlisberger fest. Der Weg hin zu einer Gesellschaft mit fossilfreier Mobilität sei eine lange Reise, die nicht mit einem Verkehrsträger allein zurückzulegen sei, meint Röthlisberger. Und: «Der ÖV deckt 15 Prozent der Mobilität ab und kostet zwei bis drei Milliarden mehr als die anderen 85 Prozent. Das ist ein Ungleichgewicht, das man anschauen muss.»

Verunsicherung Agenturmodell

Ein grosses Thema im Kreis der Schweizer Garagisten sind die neuen Vertriebskonzepte. Mit sogenannt echten und unechten Agenturmodellen wollen die Autohersteller mehr Kontrolle über die ganze Lieferkette bis zum Endkunden erhalten. Der Autokäufer soll dabei den Kaufvertrag mit dem Hersteller und nicht mehr mit dem Händler abschliessen. Es stellt sich dann die Frage, auf wieviel unternehmerische Freiheiten ein Händler verzichten will, um den Neuwagenhandel dafür mit mehr Kosten- und Investitionssicherheit betreiben zu können.

AGVS-Jurist Tobias Treyer verwies in seinem Referat im Berner Kursaal auf die KFZ-Bekanntmachung, die bisher ein Meilenstein für die Schweizer Garagisten war. Eine grosse Mehrheit der Hersteller, erklärte Treyer, wünschten sich eine Veränderung des Vertriebssystems, um die unsäglichen Rabattschlachten zu beenden. Für die Händler bieten sich laut Treyer die Vorteile, dass der Agent weiterhin das Gesicht der Marke bleibt und eine gesicherte Rentabilität hat. Eine Herausforderung sei aber, dass sich die Hersteller auch das Gebrauchtwagengeschäft und die Vermarktung der Leasing-Fahrzeuge aneignen wollen. Aus allen Referaten zu diesem Thema am Tag der Garagisten ging hervor, dass sämtliche bisher eingeführten Agenturmodelle sowohl für Hersteller und Importeure als auch für Garagisten Vor- und Nachteile haben. Aufgrund von derzeit noch wenigen Erfahrungen sorgt dieses Thema im Autogewerbe heute noch für beträchtliche Unsicherheiten.

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