Kunden werden ihre alten Autos behalten

Interview mit Motorenpapst Professor Dr. Friedrich Indra

Weniger um die Vergangenheit als um die Zukunft ging es in dem Gespräch, das wir mit dem Nestor der Motorentechnik, Professor Dr. Friedrich Indra, führten. Zur Gegenwart bezieht der Wiener klare Positionen wie diese zur aktuellen Lage der Automobilindustrie: Während die Neuanschaffungen ausfallen, wollten die Behörden von den Autobauern auch noch Milliarden an Strafzahlungen haben. So gehe diese Industrie kaputt, sagt Indra voraus. Diese Strafzahlungen müssten verschoben werden. Die Politik habe ihren Selbstbetrug mittlerweile erkannt, meint der Motorenpapst. Jetzt suche sie nach gesichtswahrenden Auswegen.

Glaubt an die Zukunft des Verbrennungsmotors: Professor Dr. Friedrich Indra.
Glaubt an die Zukunft des Verbrennungsmotors: Professor Dr. Friedrich Indra.

Professor Indra, Sie sind gerade 80 Jahre alt geworden und schauen auf sechs Jahrzehnte Entwicklungsarbeit am Automobil zurück. Was ist für Sie die wichtigste Lektion?

«Am eindrucksvollsten ist für mich, wie der Verbrennungsmotor nunmehr über 100 Jahre hinweg allen Anfeindungen getrotzt hat und sich immer wieder an die Spitze der Entwicklung setzen konnte. Es gab ja schon ganz am Anfang der Automobilgeschichte den Elektromotor, dessen Wirkungsgrad deutlich besser ist. Aber wenn man den Energietransport, die Batterien und alle dazugehörigen Faktoren mitberechnet, dann verliert er alle Vorteile. Deshalb ist er auch verschwunden, sobald man den Verbrenner elektrisch starten konnte. Ich glaube, der Verbrenner wird noch sehr lange leben, weil er dem Wunsch des Menschen nach der völlig freien, unabhängigen Fortbewegung am besten entgegenkommt. Ein Auto mit Verbrenner kann sich jeder leisten, sie sind alle sehr sparsam und sauber geworden und deshalb sind bislang noch alle Aktionen, ihn vom Thron zu stossen, im Sande verlaufen.»

Wird aus Ihrer Sicht der Benziner oder der Diesel das Rennen machen?

«Generell ist es ein grosser Vorteil der Verbrennungsmotoren, dass sie mit den verschiedensten Kraftstoffen, egal ob gasförmig oder flüssig, betrieben werden können. Auf Ihre Frage bezogen: Es hängt vom Hubraum ab. Bei Schiffen und Lastwagen haben wir es mit Dieselmotoren zu tun, alles Vierventiler aus hochfestem Grauguss, in dieser Klasse würde es der Benziner ganz schwer haben. Aber im Pkw, bei Hubräumen bis zu zwei oder drei Litern, kann der Benziner den Diesel einholen – mit hohen Verdichtungen von bis zu 1:16, Raumzündung und reduzierter Reibung.

Wir reden von thermischen Wirkungsgraden von 50 Prozent, und dem kann man ja auch schon entnehmen, dass der Hubkolbenmotor noch längst nicht am Ende seiner Entwicklung angekommen ist. Es kommt noch etwas weiteres hinzu: Bei den kleinen Autos spielen die Kosten des Motors eine grosse Rolle, und der Diesel ist teurer. Ausserdem kann man ein Auto anders konzipieren, wenn man auf den Diesel verzichtet, man kann Schalldämmung einsparen und die Fahrzeugstruktur vereinfachen. Bei den grösseren Motoren, vor allem im SUV, bleibt natürlich der Dieselmotor dominant gegenüber dem Benziner.»

Kann das Wasserstoffauto Erfolg haben?

«Das Wasserstoffauto ist für den Kunden eine viel bessere Lösung als das batterieelektrische Auto, ich bin insgesamt aber dennoch skeptisch. Es scheitert vermutlich an der Infrastruktur, und der Gesamtwirkungsgrad ist alles andere als vorteilhaft. Schliesslich geht es bei dem ganzen Thema ja angeblich um die Umwelt.»

Wie erklären Sie sich eigentlich die seit langem so unversöhnliche Kritik am Verbrennungsmotor?

«Ich glaube, dieser Hass kommt aus einer Zeit, als aus dem Auspuff richtig Dreck herauskam, als die Autos auch noch sehr laut waren. Man vergisst heute oft, wie schmutzig die Autos früher waren. Aber die Hauptkritikpunkte sind ja alle beseitigt, heute sind die Motoren viel sauberer und sparsamer, und das in viel sichereren und komfortableren Autos. Die Politik glaubt trotzdem seit Jahrzehnten, dass es mit dem Verbrenner zu Ende geht. Nach dem Dieselskandal hat sie sich auf den Standpunkt gestellt: Jetzt glauben wir der Industrie gar nichts mehr und jetzt sagen wir Euch mal, wo es langgeht, nämlich elektrisch. Die Industrie hat mehrfach versucht, der Politik diesen Fehler auszureden, aber es hat nichts genutzt, weil die Politik nur auf das Auto geschaut und keine gesamtheitliche Bewertung vollzogen hat.»

Was wird nun passieren?

«Die Industrie steuert auf eine Katastrophe zu, weil der Kunde keine Elektroautos kaufen will. Er ist völlig verunsichert und wird das naheliegendste tun, nämlich sein jetziges Auto weiterfahren. Und das hält, jedenfalls wenn es sich um einen klassischen Verbrenner handelt, ja auch locker 10, 20, 30 oder 40 Jahre und mehr. Der Neuanschaffungszyklus von üblicherweise sieben bis acht Jahren wird also wie damals in der ersten Energiekrise unterbrochen, weil die Kunden ihre alten Autos behalten, und wir werden in eine gewaltige Wirtschaftskrise rutschen. Das eingesetzte Kapital kann bei einem klassischen Auto eben viel länger genutzt werden als bei einem Elektroauto, dessen Batterie nach rund acht Jahren schlappmacht und aus Kostengründen auch nicht mehr erneuert wird.»

Sie glauben nicht, dass man Ersatzakkus bekommt?

«Bei einem E-Auto kostet eine Batterie den halben Gesamt-Neupreis! (Anmerkung der Redaktion: bei einem Audi e-tron sind das rund 40'000 CHF). So teure Ersatzteile legt sich kein Händler auf Lager und sicher auch nicht die Herstellerfirma. Der Erstkunde wird, nachdem die erste Batterie verbraucht ist, wenn sie also 20 bis 30 Prozent ihrer Kapazität verloren hat, nicht mehr den halben Neupreis in ein altes Auto investieren. Verkaufen kann er es sicher auch nicht mehr. Ideal für eine Lagerung wäre etwa eine Temperatur von 23 Grad und ein geringer Ladezustand. Jede Abweichung davon reduziert die Kapazität. Bei 45 Grad und mittlerem Ladezustand hat die Batterie bereits nach zwei Jahren 15 Prozent ihrer Kapazität verloren. Bei noch höheren Lagertemperaturen kann eine neue Batterie bereits nach einem Jahr unbrauchbar geworden sein ohne, dass sie auch nur einmal benutzt wurde. Das Ganze gilt natürlich auch für E-Autos, die auf Halde stehen.»

Wie kann die Industrie mit dieser Lage umgehen?

«Während die Neuanschaffungen ausfallen, erst recht in der aktuellen Krise, wollen die Behörden von den Autobauern auch noch Milliarden an Strafzahlungen haben. So geht diese Industrie kaputt. Die einzige für mich mögliche Lösung ist: Diese Strafzahlungen werden verschoben. Ich weiss aus vielen Gesprächen, dass die Politik ihren Selbstbetrug mittlerweile erkannt hat und jetzt nach möglichst gesichtswahrenden Auswegen sucht.

Manche Politiker fordern jetzt Batterien, die leicht und billig sind und so lange halten wie ein klassisches Automobil, was natürlich ein Ding der Unmöglichkeit ist. Andere sagen, das eigentliche Problem sei das Erdöl, was wiederum das Tor für synthetische Kraftstoffe öffnet. Aber die wichtigste Komponente wird sein, die Förderungen für die E-Mobilität abzuschaffen. Warum soll die Politik auch eine Technologie fördern, die keinen Beitrag zum Klimaschutz leistet?

Gerade jetzt, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, zeigen sich für fast alle Kunden die nicht verzichtbaren Vorteile, die Fortbewegungsmittel mit Verbrennungsmotoren haben. Und das unter allen klimatischen Bedingungen, rund um den Globus, zu Lande, zu Wasser und auch in der Luft. Zusammen mit weiteren Verbesserungen und den neuen klimaneutralen Kraftstoffen wird das auch noch sehr lange so bleiben. In China und den USA laufen die Förderungen für die E-Mobilität jetzt aus, und dort sind die Verkaufszahlen bereits im Sinkflug. Und das Schicksal von VW entscheidet sich weiterhin am Golf, nicht am ID3.»

Interview: Jens Meiners

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