Schwedische Power-Veteranen

1991 kam ein neuer Volvo, der alles veränderte: Frontantrieb, viel Power und zahlreiche Innovationen prägten die neue 850 Modellreihe und bewirkte einen Image Wandel der Marke zum Premiumhersteller. Zur gleichen Zeit lancierte Saab den 9000 CS, der mehr als nur eine Auffrischung der erfolgreichen 9000er Reihe darstellte.

Es war der 11. Juni 1991, als Volvo CEO Per Gyllenhammer in der berühmten Volvo Halle in Göteborg vor der Presse den neuen Volvo 850 enthüllte. Gleichzeitig war es der Geburtstag von Stephan Würsten, der bei dieser Zeremonie dabei sein durfte und die sein Leben als Volvo Spezialist nachhaltig prägte. Zu dieser Zeit war Würsten Herausgeber des beliebten Magazins «Volvo Fan», das die Volvo Enthusiasten im In- und Ausland stets mit den neuesten Informationen zur Marke aus Göteborg versorgte.

Mit einem Aufwand von 16 Mia. Schweden Kronen – was damals 4 Mia. Schweizer Franken entsprach – war die Entwicklung des neuen Volvo 850 das grösste Industrieprojekt in der Geschichte von Volvo und wegweisend für die Weiterentwicklung der Firma. Das kantige Design des Volvo 850 vermittelte zwar eine erkennbare Verwandtschaft zu den bisherigen Volvo 740 und 940, war aber vollkommen neu und deutlich dynamischer gezeichnet. Anders als diese traditionellen Modellreihen mit Hinterradantrieb begeisterte der 850 mit einem völlig neuen Fahrvergnügen. Grund dafür war der erstmals von Volvo in dieser Klasse genutzte Frontantrieb mit einem quer eingebauten Fünfzylindermotor. Weitere Innovationen betrafen unter anderem den innovativen Seitenaufprallschutz SIPS (Side Impact Protection System) sowie die automatische Sicherheitsgurthöhenverstellung für Frontpassagiere.

Als erste Variante wurde der Volvo 850 GLT mit einem 170 PS starken Fünfzylinder-Saugmotor mit Vierventil-Technik vorgestellt. Schon in einer frühen Entwicklungsphase legte Volvo besonderen Wert darauf, aus dem Volvo 850 GLT einen Dynamiker für aussergewöhnliches Fahrvergnügen zu machen. Dazu gehörten sogar Details wie die charakteristischen Ansauggeräusche eines Saugmotors und ein entsprechender Auspuffsound. Eine Mühe, die sich lohnte, denn der Volvo 850 erntete sofort enthusiastische Testberichte in der Fachpresse.

Als nächste wichtige Version des Volvo 850 debütierte im Februar 1993 der Kombi, der mit typischen Volvo Features glänzte wie einem senkrecht abfallenden Heck für maximales Ladevolumen. Einzigartig und ein völlig neues Designmerkmal waren hingegen die senkrecht stehenden, riesigen Rückleuchten, die den fünftürigen Volvo 850 zu einem formvollendeten Kombi machte, der mit etlichen Designpreisen ausgezeichnet wurde. Das Motorenprogramm für den Volvo 850 wurde rasch erweitert mit Benziner und Diesel-Direkteinspritzer in verschiedenen Leistungsstufen. 1994 präsentierten Volvo dann den 850 mit Turbomotor. Mit seiner unverwechselbar auffälligen gelben Lackierung wirkte der Volvo 850 T5 R wie ein Ausrufezeichen auf Rädern. Unter der Haube arbeitete ein 240 PS starker Turbo-Fünfzylinder mit Ladeluftkühlung, der ein bulliges Drehmoment von 300 Nm bereitstellte. Zur Serienausstattung zählten spezielle Spoiler, ein quadratisches Auspuffendrohr und 17-Zoll-Aluräder der Serie Titan. Noch stärker war nur der Volvo 850 R mit 250 PS, der 1996 als Limousine und als Kombi an den Start ging.

1994 war auch das Jahr, in dem Volvo mit einem einzigartigen Eyecatcher auf die Rennstrecken zurückkehrte. Als zum Saisonauftakt der British Touring Car Championship BTCC zwei Volvo 850 an die Startlinie rollten, trauten die Zuschauer ihren Augen nicht: Statt der erwarteten Volvo 850 Limousinen traten die Schweden mit den weltweit ersten Renn-Tourenwagen mit Kombi-Karosserie an. So spektakulär wie der Renn-Kombi war die engagierte Fahrweise der Piloten Rickard Rydell und Jan Lammers. Leider verhinderte eine Änderung des Rennreglements in der Saison 1995 den erneuten Start des Volvo 850 Kombi, weshalb Volvo auf die Limousine wechselte. In dieser Saison errang Rickard Rydell den dritten Platz in der BTCC.

Nach über fünfjähriger Produktionszeit wurde der erfolgreiche Volvo 850 für das Modelljahr 1997 zur Limousine Volvo S70 und zum Kombi Volvo V70 weiterentwickelt. Insgesamt wurden von allen Modellversionen, die auf den Volvo 850 zurückzuführen sind, 1 360 522 Fahrzeuge gebaut.

Weitaus weniger monetäre Ressourcen standen den Ingenieuren vom Automobilbauer Saab in Trollhättan zur Verfügung. Das schränkte aber deren Innovationskraft keineswegs ein, ganz im Gegenteil. Angetrieben von der Heritage als Flugzeugbauer, war Saab oft der erste Automobilbauer mit weltweiten Novitäten. Aber als kleiner Hersteller fehlten die Mittel, die zahlreichen Novitäten nachhaltig kommunizieren zu können. Im Vergleich zum Volvo 850 hatte der Saab 9000 bereits seit seiner Einführung im Frühjahr 1985 einen quer eingebauten Turbomotor mit Frontantrieb. Gleiches gilt für den Seitenaufprallschutz, welcher der 9000er ab Modelljahr 1986 serienmässig an Bord hatte. Apropos kräftiger Motor: Der Turbomotor mit 175 PS verfügte über ein bulliges Drehmoment im mittleren Tourenbereich. So kokettierte Saab gerne mit dem Hinweis, dass ein Saab 9000 von 80 – 120 km/h im 5. Gang besser beschleunigt als ein Porsche 928 oder Ferrari Testarossa.

Aus dem 9000 entstand der 9000 CS (Combi Sedan), der im August 1991 in den Verkauf kam. Gegenüber dem bisherigen 9000er wirkte der neue CS weitaus eleganterer, bedingt durch eine flachere Front sowie längere Heckpartie mit horizontalen Rückleuchten. Ebenso intensiv waren die Modifikationen unter dem Blech beim Antrieb und Interieur, so dass der CS als eine neue 9000er Generation angesehen werden konnte. Grossen Zuspruch fand der CS mit dem 2.3 LPT Motor, wobei LPT für Low Pressure Turbo, also für Niedrigdruck-Turbo stand, der einen souveränen Antrieb mit niedrigem Verbrauch vereinbarte.

Im Februar 1993 startete die Auslieferung des Topmodells 9000 CS Aero, das über einen weiterentwickelten Turbomotor mit 225 PS verfügte. Damit war der Aero der stärkste und schnellste Saab bis dato. Gesteuert wurde der Turbomotor von einem 32 Bit Microprozessor, der für optimale Power und Effizienz in jedem Nutzungsbereich sorgte. Ebenso prägte ein hervorragend abgestimmtes Fahrwerk den Aero zum schnellen Reisewagen mit hohem Komfort. Im Interieur wurden Fahrer und Passagiere von lederbezogenen Sportsitzen erster Qualität verwöhnt und für bestes Klima sorgte die Freon freie Klimaanlage – eine weitere Innovation aus Trollhättan.

Im Mai 1998 endete die Produktion der Saab 9000er Modelle nach insgesamt 503 087 produzierten Exemplaren. Nachfolger wurde der bereits im Herbst 1997 eingeführte Saab 9-5.

Text: Christoph Bleile
Bilder: Christoph Bleile / zVg