Jamaika ist die grösste, englischsprachige Insel der Karibik und die drittgrösste der grossen Antillen. Bekannt ist sie als Heimat der Reggae-Musik und der Rastafari-Bewegung. Aber die überraschend grüne und bergige Tropeninsel hat viel mehr zu bieten. Rund 2,8 Millionen Jamaikaner leben auf der Insel. Die Diaspora ist mindestens noch einmal so gross.
Auch Keelie träumt davon, ins Ausland zu gehen – „nach Deutschland, um zu lernen, wie man das knusprige Brot backt, oder nach Italien“. Bis dahin arbeitet Keelie als selbständige Köchin im Luxus-Boutiquehotel Mockingbird Hill im Regenwald von Port Antonio. Sie verwöhnt die Gäste mit den Köstlichkeiten der lokalen Küche: Garnelen oder Hähnchen in Kokos-Curry-Sauce zum Beispiel, oder mit Salzfisch in Kokossauce, mit gebackener Yamswurzel, das traditionelle Frühstück der Jamaikaner.
Keelies Arbeitsplatz liegt inmitten eines tropischen Paradieses. Vor allem Vogelbeobachter verirren sich gerne hierher. Immer abends, wenn die Dämmerung einsetzt, beginnt ein lautes Pfeifkonzert. Dies wird allerdings nicht von den zahlreichen Vögeln veranstaltet, sondern von winzigen Baumfröschen, die den Tag lautstark verabschieden.
Zur Freude der meisten Touristen gibt es auf Jamaika kaum giftige Tiere und keine Giftschlangen. Ein Ausflug in den Dschungel ist dennoch ein Abenteuer. Die feuchten Wege sind rutschig und der Untergrund im Bachbett unberechenbar. Wer es dennoch wagt, der wird mit atemberaubenden Ausblicken belohnt. Zum Beispiel auf einen der zahlreichen Wasserfälle. Grösstenteils ist auch ein weniger abenteuerlicher, normaler begehbarer Touristenpfad vorhanden.
Auch sonst ist Jamaika ganz und gar nicht langweilig. In den Städten und Dörfern taucht man mitten in das bunte Jamaikanische Leben ein. Reggae Rhythmen wummern an jeder Ecke, fast so, als wären sie der Pulsschlag der Insel.
Fernab der touristischen Zentren und der tropischen Traumstrände erlebt man das ursprüngliche Jamaika.
Vorbei an Dörfern mit einfachen, in kräftigen Farben strahlenden Häusern aus Beton oder Holz windet sich das schmale, von Schlaglöchern übersäte Strässchen die Berge hoch. Auf 2256 Metern über dem Meeresspiegel liegt der höchste Punkt Jamaikas, der Blue Mountain Peak. Die Blue Mountains, mit einer Vielzahl an endemischen Pflanzen, sind Teil des UNESCO-Welterbes. Je höher man kommt, desto weniger besiedelt ist die Gegend. Ab und zu huschen ein paar Ziegen über die Strasse. Bambuswälder, grosse Christsternbäume, riesige Farne, Zedern, Mahagonibäume und unzählige weitere Pflanzenarten tauchen die Berge in sattes Grün. Einer der besten und teuersten Kaffees der Welt wird in dieser Gegend angebaut.
Einen Eindruck davon, wie aufwendig das Pflücken der Kaffeekirschen an den steilen Hängen der Blue Mountains ist, bieten die Kaffeeplantagen. Jede Kirsche wird einzeln von Hand gepflückt. In ihrem Inneren befindet sich die Kaffeebohne, die geröstet ihr volles Aroma entfaltet. Auch wenn der Kaffee weit über die Grenzen Jamaikas berühmt ist, blickt das Land keine echte Kaffeetradition zurück.
Jamaika stand von 1655 bis 1962 unter britischer Kolonialmacht. Sklaven wurden aus Afrika auf die Plantagen gebracht und bauten hauptsächlich Zuckerrohr und Bananen an. Es gab zahlreiche Aufstände. Mit der Abschaffung der Sklaverei 1834 holten die Briten dann Arbeiter aus Indien auf die Plantagen. Erst im Jahre 1962 wurde Jamaika in die Unabhängigkeit entlassen, gleichwohl der Staat noch immer Mitglied des Commonwealth ist.
Die Briten betrachteten Kaffee als Getränk der Aufständischen und unterbanden den Anbau. Dafür wurde Tee importiert. So heisst auch heute noch jedes warme Getränk auf der Insel Tee. Ein Kaffee ist übersetzt ganz einfach ein Kaffee Tee und eine warme Schokolade ist eben ein Schokoladen Tee. Leidenschaftlich und hitzig philosophiert Junior Alton Bedward im Craighton Estate House in Irishtown über die Geschichte des Jamaikanischen Kaffees, über die Unterdrückung der Kaffeekultur und über das Potenzial, die der „braune Champagner“ der Blue Mountains für Jamaika birgt.
Warm anziehen muss man sich hingegen, wenn man die Nacht in den Blue Mountains verbringt. Das Thermometer sinkt schon mal auf 10 Grad - kalte Füsse inklusive.
Mit jedem Meter bergab steigt die Temperatur merklich. Kingston, die Hauptstadt der Insel, war lang als heisses Pflaster berüchtigt, um das Touristen idealerweise einen grossen Bogen machen sollten. So schlimm ist es heute nicht mehr und einen Blick in das Bob Marley Museum und in den Emancipation Park kann man ohne weiteres wagen, um Einblicke in der Geschichte und in das Selbstverständnis der Jamaikaner zu erhalten. Im Emancipation Park stehen Büsten der sechs Helden und der Heldin von Jamaika. Sie erzählen die Geschichte vom steinigen Weg zur Freiheit.
Leichte Kost erwartet den Besucher im Norden der Insel. In Ochos Rios legen die grossen Kreuzfahrtschiffe an. Hier hat man sich weitgehend auf die Bedürfnisse der Tagestouristen eingestellt. Abenteuerparks mit gut kalkulierbarem Abenteuerfaktor, Unterhaltungsschuppen mit lauter Musik und süssen Cocktails und einer Hinweistafel, dass es hier das beste Gras Jamaikas zu kaufen gibt, schlagen den Individualtouristen hingegen eher in die Flucht. Kaum zu glauben, dass sich nur wenige Kilometer weiter eines der schönsten Hotels der Insel befindet. Marilyn Monroe und Arthur Miller haben hier einst ihre Flitterwochen verbracht und das Jamaica Inn hat bis heute nichts an Exklusivität und Familiarität eingebüsst.
Auch heute noch gehen hier die Stars ein und aus. Aber auch der Normalbürger mit passendem Portemonnaie wird mit einem warmen „Willkommen zu Hause“ und einem freundlichen Lächeln empfangen.
Familiär geht es auch im Westen der Insel, an einem der schönsten Strände der Welt zu. Am sieben Meilen langen, palmengesäumten, weissen Sandstrand von Negril reihen sich kleine Hotels, Bars und Restaurants aneinander. Auch wenn sich hier ein Zentrum für sonnenhungrige Touristen befindet, hat Negril an vielen Stellen den Charme eines ehemaligen Fischerdorfs bewahrt. Sei es im kleineren, familiengeführten Hotel oder auf dem lokalen Früchte- und Gemüsemarkt. Ein freundliches Wort, gefolgt von dem obligatorischen „Yeah Man“ haben die Jamaikaner immer übrig.
Ein Kontrastprogramm zum Fischerdorf ist auch hier vorhanden. Cocktails und Nervenkitzel gibt es in der berühmten Bar Rick’s Café. Klippenspringer stürzen sich wagemutig, unter dem Applaus der Gäste, in das Meer. Manch ein Gast trinkt sich etwas Mut an. Mit etwas Pech landet er, begleitet von einem lauten Platschen und dem kollektiven Aufstöhnen der Zuschauer mit seinem Hinterteil, statt mit den Füssen zuerst auf dem Wasser. Autsch! Athletischen Profis zeigen mit akrobatischen Sprüngen, wie es richtig geht.
Die riesige Vielfalt und die Kontraste machen Jamaika aus - und das nicht nur für All Inklusive- und Tagestouristen, sondern auch für individuelle Entdecker.
Text und Bilder: Die Recherche fand auf Einladung des Jamaica Tourist Board statt