Neue Wege zur Reduktion der Staustunden

01.05.2018

Vor Kurzem hat der Direktor des Bundesamtes für Strassen [Astra], Jürg Röthlisberger, in einem Interview erwähnt, dass das Astra prüfe, ob ein Teil der A1 doppelstöckig geführt werden könne. Auf den ersten Blick eine vielleicht etwas unkonventionelle Idee, die aber durchaus eine nähere Betrachtung verdient hat.

Die jährlichen Staustunden auf unserem Strassennetz steigen von Jahr zu Jahr. Waren es 2007 noch 11000 Staustunden, wurden im letzten Jahr, also nur zehn Jahre später, bereits fast 26000 Stunden gezählt. Das ist nichts Neues und erstaunt auch nicht weiter. Bei solchen Betrachtungen wird aber, aus meiner Sicht, jeweils ein wichtiger Aspekt ausser Acht gelassen: Unser heutiges Nationalstrassennetz basiert im Wesentlichen auf dem Netzbeschluss, den das Schweizervolk 1958 gutgeheissen hat. Seit damals hat die Bundesversammlung diesen lediglich viermal ergänzt, beispielsweise 1965 mit der Aufnahme des Gotthardtunnels sowie 1971 mit derjenigen der Nord- und Westumfahrung Zürichs. Doch noch heute gilt er als verbindliche Grundlage für den Bau des Schweizer Autobahnnetzes, welches bis dato «erst» zu 93 Prozent realisiert ist. Einen eigentlichen Ausbau beziehungsweise eine Kapazitätserhöhung des Nationalstrassennetzes hat es seit Anfang der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts also keine gegeben, von ein paar wenigen Ausnahmen abgesehen. Wenn man bedenkt, dass 1960 die Zahl der in der Schweiz immatrikulierten Personenwagen bei 509279 lag, war die ursprünglich geplante Strassenkapazität mehr als ausreichend. Heute liegt diese bei mehr als 4,5 Millionen Fahrzeugen. Gemäss der neusten Ausgabe von «Strassen und Verkehr» des Astra hat sich das Verkehrsaufkommen auf dem unveränderten Nationalstrassennetz seit 1960 verfünffacht! Da verwundertes nicht, dass die Zahl der Staustunden laufend steigt. Dass unser Strassennetz nicht einfach beliebig ausgebaut werden kann, ist schon durch die topografischen Besonderheiten gegeben. Der Platz ist beschränkt. Trotzdem muss man Lösungen finden, um den Verkehrsfluss zu gewährleisten und die Staustunden auf einem einigermassen erträglichen Niveau zu stabilisieren; dies unter der Prämisse einer ständig steigenden Zahl an Strassenverkehrsteilnehmern, sei dies beim öffentlichen oder beim motorisierten Individualverkehr. Da sind kreative Lösungen gefragt. Wir müssen über den Tellerrand hinausschauen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Derzeit gibt es verschiedene interessante Lösungsvorschläge, welche diskutiert und evaluiert werden. Die vom Astra angedachten doppelstöckig geführten Autobahnen sind ein weiterer kreativer Lösungsansatz, um den zunehmenden Staustunden zu begegnen. Er würde ermöglichen, die Kapazitäten zu erhöhen, ohne mehr Land überbauen zu müssen. Verdichteter Strassenbau sozusagen. Beim Wohnungsbau spricht man ja schon lange vom verdichteten Bauen. Es wird Zeit, dass man auch im Strassenbau entsprechende Lösungen zumindest in Betracht zieht. Mir scheint es wichtig, dass solche - auf den ersten Blick vielleicht unkonventionell erscheinende - Vorschläge nicht immer gleich verurteilt und abgestraft werden. Wir sollten offen sein für Vorschläge, die einem Denken «out of the box» entspringen, und diesen eine Chance geben, ernsthaft evaluiert und diskutiert zu werden. Nur so werden wir neue und effiziente Wege finden, um den Verkehrsfluss zu gewährleisten und die Staustunden zu reduzieren.

NR Thomas Hurter
Zentralpräsident
Automobil Club der Schweiz

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