Die Rückkehr des Reise-Bikes

Fahrbericht Honda NT 1100

Honda besinnt sich auf alte Tugenden und bringt wieder eine klassische Reisemaschine. Die Honda NT 1100 basiert auf der Africa Twin und wechselt die Gänge auf Wunsch automatisch.

Die Africa Twin gehört zu einer Fahrzeuggattung, die in der Motorradbranche ähnlich angesagt ist, wie es SUV auf dem Pkw-Markt sind. Offroad-Charme gepaart mit erhöhter Sitzposition, reichlich Komfort und guten Staumöglichkeiten – das zieht auch auf zwei Rädern.

Schicker Allrounder

Die NT 1100 ist eine moderne Tourenmaschine. Unkompliziert, mit souveräner Leistung und auch beladen von einer gewissen Eleganz. Ein schicker Allrounder mit eigenständiger, selbstbewusster Front. Für gehobenes Reisen und für kultiviertes Fahrvergnügen im Alltag. Und ja, irgendwie auch als fahrendes Statement in puncto Design. Kein Abenteurer oder Haudegen, vielmehr ein praktisch veranlagter Gentleman. Die letzte Honda dieser Art trug den Namen NT 650 V Deauville und wurde bis 2005 gebaut.
Die Africa Twin als Ausgangspunkt garantiert der Touren-Neuheit eine grundsätzliche Langstreckentauglichkeit. Zahlreiche Gleichteile bescheren der NT schon zum Start den Status eines ausgereiften Motorrads. Cockpit (6,5 Zoll TFT plus Zusatzdisplay), Konnektivität (Apple Carplay & Android Auto), Bedienelemente und selbst die Blinker sind identisch. Rahmen und Tank wurden leicht modifiziert und dem neuen Reiseanspruch angepasst. Gleiches gilt für die Ergonomie und den bewährten Motor. Von Abklatsch keine Spur.

Mit Doppelkupplungsgetriebe

F 102 PS bei 7500 U/min und 104 Nm bei 6250 U/min leistet der 1084 ccm grosse Reihen-Zweizylinder. Auf Wunsch gibt es die neue Honda mit dem Doppelkupplungsgetriebe DCT (Dual Clutch Transmission) – nach wie vor ein Alleinstellungsmerkmal im Markt. Fürs manuelle Rauf- und Runterschalten des automatiserten Getriebes befinden sich bei allen DCT-Modellen links am Lenker zwei Taster. Dank neuer Algorithmen laufen die Gangwechsel bei der NT jetzt noch sanfter ab. Das passt sehr gut zum unaufgeregten, edlen Charakter des dynamischen Bikes.

200 km/h Spitze steht in den Papieren. Offizieller Verbrauch: 5,0 l/100 km. Realistisch sind fünfeinhalb bis sechs Liter. Je nach Fahrweise reicht der 20-Liter-Tank somit für entspannte 330 bis 400 Kilometer. Der Sitzkomfort lässt solche Etappen problemlos zu, erst recht auf dem optionalen, zweiteiligen Komfortsitz. Angenehm leise ist es auch: 74 bis 78 dB(A) beträgt das Fahrgeräusch, je nach Fahrmodus. Im Stand liefert die NT1100 selbstbewusst 94 dB(A) ab.

Fünf Fahrmodi

Auf der Strasse schlägt sich die Reise-Honda erwartet souverän. Zwei 310-Millimeter-Scheiben vorn und Zweikanal-ABS verzögern präzise und beherzt. Die serienmässige Wheelie-Kontrolle hält das 17-Zoll-Vorderrad auch bei voller Beladung am Boden. Fünf elektronische Fahrprogramme hat Honda der NT 1100 spendiert. Drei sind konfiguriert (Urban, Tour, Rain), bei zweien kann der Fahrer über die üppig bestückte Bedienarmatur links selbst den Mix aus Zutaten wie Motorbremse und -leistung komponieren. Das DCT hat wie üblich einen «D»-Betriebsmodus und einen dreistufigen «S»-Modus. Direkte Gasannahme, zügiges automatisches Runterschalten beim Bremsen vor Kehren und Kurven, munteres Hochdrehen – je nach Gasgriffstellung erledigt das DCT-Getriebe all das ganz allein und zur rechten Zeit. Die klassische 6-Gang-Schaltung scheint so gesehen die schlechtere Wahl zu sein.

Die Seitenkoffer fassen 33 beziehungsweise 32 (rechts) Liter Gepäck. Sie sind wie Hauptständer, Gepäckträger, Heizgriffe, Voll-LED-Beleuchtung und Tempomat serienmässig an Bord. Die flache Form der abnehmbaren Boxen gefällt, ein Helm passt allerdings nicht hinein. Auf Wunsch löst ein Topcase (50 l) das Problem. Plus Tankrucksack steigt das Ladevolumen dann auf solide 120 Liter. Vorbildlich umgesetzt hat Honda den Wetterschutz. Transparente Deflektoren schirmen die Hände ab. Die Stiefel bleiben sogar bei Dauerregen trocken, wie unsere Testfahrt zeigt, die Schienbeine weitgehend auch. Beides ist der filigranen Motorverkleidung zu verdanken.

Nur drei Farben

Die Fahrposition ist tadellos: breite Arme, aufrechter Oberkörper, entspannter Kniewinkel. Der Fahrer ist im besten Sinne schön in die Maschine integriert. Er schaut dabei auf ein mehrfach konfigurierbares Display, das per Smartphone-Einbindung auch die Routenführung übernimmt. 14'250 CHF kostet die Honda NT 1100 mit klassischem Sechs-Gang-Getriebe. Die Farbauswahl ist eher konservativ: Grau, Schwarz, Weiss. Auch da zeigt sich die Nähe zum Auto: Diese Farben sind seit Jahren die Topseller auf der Lackskala.

FAZIT

Mit der NT 1100 schliesst Honda eine Lücke im Motorraduniversum voller Adventure-Bikes. Und zwar für jene Fahrer, die sich ausreichend Leistung, müheloses Handling, Langstreckenkomfort und grundsätzlich moderne Technologie wünschen, aber nicht unbedingt den optischen Auftritt oder die Ausmasse typischer ADV-Bikes möchten.

Text Ralf Bielefeldt / Bilder Werk

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