Paula Fabregat-Andreu war als Projektleiterin für Renaults Markendesign massgeblich in die Gestaltung des neuen Clio involviert. Bei der Weltpremiere in München erklärte sie dem ACS Auto, welche Ziele das Designteam verfolgt hat und warum die Modelle von Renault jeweils unterschiedliche Emotionen verkörpern dürfen – aber auf keinen Fall gar keine.
Frau Fabregat-Andreu, haben Sie bei Ihrer Arbeit am Clio mehr Druck verspürt als bei anderen Modellen?
Sicher, der Clio ist eine Art Institution, da verspürt man schon Druck, dass das Design gelingen muss. Noch grösser sind aber der Antrieb und die Motivation, die bei einem solchen Projekt aufkommen. Einen Clio gestalten zu dürfen, ist fantastisch. Und Druck entsteht bei einer nachfolgenden Modellgeneration sowieso immer, da neue Emotionen vermittelt werden müssen.
Bedeutend grösser war auch der Zeitdruck, sie hatten aufgrund der "Renaulution"-Konzernstrategie deutlich weniger Zeit als bei den Vorgängern…
Das ist richtig. Als ich 2000 zum Unternehmen stiess, nahm die Gesamtentwicklung eines Modells zwischen vier und fünf Jahre in Anspruch, die Renaulution-Strategie sieht eine Halbierung der Entwicklungszyklen vor, womit beim neuen Clio zwei bis drei Jahre zur Verfügung standen. Da das Design ein elementarer Bestandteil eines neuen Modells ist, mussten auch wir schneller sein.
Bei der Zeit haben Sie gespart, bei anderen Bereichen dafür nicht. Im Türrahmen versteckte Gummidichtungen der Seitenfenster gibt es zum Beispiel sonst eher bei teureren Modellen. Warum dieser Aufwand beim Clio?
Eine solche Designlösung, bei der die Seitenscheiben optisch schmaler wirken, es in Wirklichkeit aber nicht sind, sorgt in der Produktion tatsächlich für Mehrkosten. Doch sie lässt das Auto wertiger und auch sportlicher aussehen. Wenn ich könnte, würde ich das bei allen Modellen so machen. Beim Clio haben wir uns das geleistet, weil er eines der wichtigsten Modelle der Marke ist. Dieser Umstand ermöglichte uns übrigens auch die zweigeteilten Heckleuchten, die ebenfalls die Herstellung verteuern, aber eben auch die Wertigkeit und Sportlichkeit erhöhen.
Wollten Sie den Clio dadurch auch höher positionieren?
Der neue Clio zählt trotz seines Längenzuwachses von 67 Millimetern und rund vier Zentimetern mehr Breite nach wie vor zum B-Segment, also zu den Kleinwagen. Bezogen auf sein Design, die Proportionen, die Verarbeitung sowie den Nutzwert könnte er aber auch zum C-Segment gehören.
Hat der neue Clio optisch überhaupt noch einen Bezug zu den vorherigen Generationen? Für uns sieht er aus wie ein völlig anderes Auto.
Wir haben DNA aus jeder Clio-Generation einfliessen lassen. Schauen Sie nur mal auf die in der C-Säule versteckten hinteren Türgriffe. Die gab es schon bei der vierten und der fünften Generation. Auch die Postur ist typisch für den Clio. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass das Auto auf der Strasse sofort als Clio erkannt wird, obwohl die Unterschiede zwischen der letzten und dieser Generation sicher grösser sind als zum Beispiel jene von der vorletzten zur letzten. Der Designsprung fällt diesmal ähnlich gross aus wie zwischen der zweiten und der dritten Generation.
Der Clio steht ja auf einer Verbrennerplattform, Sie waren aber auch für das Design der elektrischen Neuauflagen von Renault 4 und Renault 5 tätig. Deshalb die Frage: Erschwert respektive erleichtert die Antriebsart Ihre Arbeit?
Das kann man so nicht sagen. Es sind einfach unterschiedliche Zutaten, die es zu berücksichtigen gilt und mit denen man spielen kann. Am Ende muss etwas Neues und Begehrenswertes entstehen. Dabei wünschen sich viele Kundinnen und Kunden, dass sich die Modelle optisch nach ihrer Antriebsart unterscheiden. Ein Wunsch, den wir bei der Gestaltung natürlich berücksichtigen, aber immer mit dem Ziel vor Augen, Emotionen zu vermitteln.
Welche Emotionen meinen Sie genau?
Das hängt vom Modell ab. Der Clio soll zum Beispiel Sinnlichkeit und Sexappeal versprühen, beim Renault 5 stand die Erinnerung an etwas Ikonisches im Zentrum. Wir legen sehr grossen Wert darauf, bei jedem Modell Emotionen ins Design zu bringen. Sie sind das Wichtigste. Wenn Sie keine Emotionen haben, haben Sie keinen Kontakt zu den Menschen.
Paula Fabregat-Andreu hat im Jahr 2000 ihre Karriere in der Renault Gruppe als Interieur-Designerin begonnen. Nach verschiedenen Stationen in der Gruppe, unter anderem fungierte sie von 2010 bis 2014 als Design-Projektmanagerin für Dacia, übernahm die Spanierin zuletzt den Posten als Projektleiterin für das Renault-Markendesign. Dabei überwachte sie neben dem Design der Retro-Stromer Renault 4 und Renault 5 E-Tech auch den Gestaltungsprozess für den neuen Renault Clio. Der nächste grosse Wurf unter ihrer Leitung soll die Neuauflage des Renault Twingo werden, dessen offizielle Premiere als Serienmodell für 2026 erwartet wird.
Interview Simon Tottoli / Bilder Clémont Choulot/Werk und Markus Rutishauser